Kolumne Afrika Afrika: "Afrika" ist Gedöns
Kwame Nkrumah, der erste Präsident von Ghana ist der Vater des Panafrikanismus - eine Idee, mit der er scheiterte. Die Afrika-Begeisterung dieser WM hätte ihm gefallen.
D ie Fußballmannschaft von Ghana trägt eine schwere Last auf ihren Schultern. Die Spieler kämpfen nicht nur für sich selber, nicht einmal alleine für ihr Land. Nein, die Ehre des gesamten afrikanischen Kontinents sollen sie retten. Entsprechend haben sich mehrere ghanaische Politiker geäußert - "Macht Afrika stolz!" -, und die Abgeordneten ließen dem Team ausrichten, dass das Parlament für ihren Sieg beten wird. Die Mannschaft repräsentiere nicht nur ihre Heimat, sondern den ganzen Erdteil, meint der ehemalige ghanaische Sportminister Abdul-Rashid Pelpuo.
Ist das nicht herzerwärmend? Zeugt das nicht von echtem Sportsgeist, über alle künstlichen kolonialen Grenzen hinweg? Beweist das nicht, dass Afrika - zumindest spirituell - Europa weit überlegen ist? Dieses Gemeinschaftsgefühl! Beneidenswert. Man stelle sich einmal vor, dass die Engländer den Deutschen sagten, die müssten die Ehre des europäischen Fußballs retten. Und sie würden dafür beten. Bis das passiert, dauert es vermutlich noch ein paar hundert Jahre. Hier ist der kulturelle Graben noch zu groß.
Kwame Nkrumah, dem ersten Präsidenten von Ghana, hätte die Afrika-Begeisterung vermutlich gefallen. Schließlich ist er der Vater des Panafrikanismus - einer Idee, mit der er allerdings auf der ganzen Linie scheiterte. Bis heute wird für die Teilung einiger afrikanischer Staaten gefochten, nicht etwa für den transnationalen Schulterschluss. Gegen Pauschalurteile im Zusammenhang mit wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen wehren sich afrikanische Regierungen, übrigens zu Recht. Allerdings wehren sie sich nur, solange es ihren Interessen dient. Andernfalls sprechen sie gerne von Kultur.
Bettina Gaus ist politische Korrespondentin der taz.
Der ehemalige kenianische Präsident Daniel Arap Moi bekämpfte die Einführung des Mehrparteiensystems jahrelang mit dem Argument, die "Konsensdemokratie" - wunderbares Wort - des Einparteiensystems entspreche der afrikanischen Kultur. Das ist ein Totschlagargument, vor allem gegenüber europäischen Gebern. Die Kolonialisten haben die afrikanische Kultur, jede afrikanische Kultur, so lange verachtet, dass aufgeklärte Demokraten sich nun hüten, in diesem Zusammenhang irgendetwas in Zweifel zu ziehen. Sobald das Wort Kultur fällt, tritt ehrfürchtige Stille ein.
Nicht erstaunlich, dass die sogenannte afrikanische Kultur inzwischen für vieles herhalten muss. Der Polizist, der vor der Brücke zur Ilha de Mocambique die Papiere kontrolliert, findet, dass der deutsche Führerschein reichlich abgegriffen aussieht. Allzu abgegriffen. Deshalb ist nun bedauerlicherweise ein Bußgeld fällig, zahlbar sofort und bar an den Beamten. Die Frage nach der gesetzlichen Grundlage für die Strafe wird auf unwiderlegbare Weise beantwortet: Es gehöre sich nicht, einen Polizisten nach den Gründen für sein Handeln zu fragen. In der afrikanischen Kultur gelte das als respektlos. Da kann man natürlich nichts machen.
Kultur ist ein sehr dehnbarer Begriff. Auch Fußball gehört dazu, als Teil der Sportkultur eben. Zu schade, dass die Aussichten auf ein innerafrikanisches WM-Endspiel praktisch gleich null sind. Die Verwirrung tansanischer, angolanischer oder sambischer Kommentatoren hätte man gerne beobachtet.
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