Holland und Südafrika: Die orangene Invasion

Viele Buren in Südafrika werden nach dem WM-Aus der Bafana Bafana zu holländischen Fans. Sie verbindet eine gemeinsame Geschichte und verstehen können sie sich auch.

Orangefarbene Invasion: Hollandfans in Kapstadt. : imago

KAPSTADT taz | Schon am Morgen vor dem Kamerun-Holland-Spiel sieht man auf Kapstadts Straßen fast nur noch eine Farbe: Orange. Aus Holland angereiste, orange-gekleidete Fans füllen zusammen mit zu Hollandfans konvertierten Südafrikanern die Innenstadt. Viele Südafrikaner tauschen für den Tag ihre gelben Bafana-Bafana Outfits für etwas Knallorangenes ein.

Der junge Südafrikaner Riian van Wyk, ausgestattet mit orangenem Käppi, orangenem T-Shirt und orangener Sonnenbrille, erklärt: "Ich unterstütze die Holländer während der WM, weil ich denke, das ich dort ursprünglich herkomme." Sein Freund Bradley Voges in knall-orangener Adidas-Jacke findet das auch: "Ich bin halb holländisch, halb südafrikanisch. Ich unterstütze beide Teams. Ich bin Teil der holländischen Unterstützungsarmee, die heute hier ist"

Laut Julius ter Haar, dem Leiter des niederländischen Reiseveranstalters OAD, ist der holländische WM-Ansturm auf Südafrika so groß, dass man fast keine Flüge mehr nach Südafrika bekommt: "Flugtickets sind ein großes Problem. Wir haben kaum noch Kapazitäten."

Rund tausend Holländer sind mit ihren Wohnwagen gleich den ganzen Weg von Holland bis ans Kap gefahren. In Südafrika schlossen sich ihnen weitere tausende Fans aus Holland an, die heruntergeflogen sind. Etwa 10.000 Fans fahren so in einem riesigen Konvoi gemeinsam von Spielstätte zu Spielstätte.

Während des Kapstadt-Spiels der Holländer kampierte die riesige Fangemeinde in Paarl, in unmittelbarer Nähe des Quartiers der holländischen Nationalmannschaft. Passenderweise hingen viele orangene Flaggen die kapholländischen Häuserfassaden der Long Street herunter.

Der 31-jährige Anglo-Südafrikaner Kerrad Harwood erklärt, warum er Holland unterstützt: "Das ist einfach. Erstens: Die Holländer haben uns kolonialisiert. Zweitens: Mein bester südafrikanischer Freund ist holländisch. Drittens: ich war schon in Holland zu Besuch. Viertens: Sie haben tolle Outfits. Einige der besten Spieler der Welt sind holländisch. Und vor allem: Ich liebe Heringe!"

Auf dem Weg ins Stadium sind fliegende Holländer, orangene Cowboys, ein orangenen Elvis und eine holländische Fee auf Stelzen zu sehen. Die Kapstädter Zeitungen titeln: "Heute heißt jede Straße Orange Street." Pieter Botha, ein farbiger Südafrikaner mit orangenem Schal, sagt: "Ich bin ein Fan der Holländer, weil ich schätze, dass sie uns am Nahesten stehen. Wenn ein afrikanisches Team spielt wie heute, unterstütze ich allerdings zuerst das afrikanische Team. Ich bin Afrikaner und ich werde immer die afrikanischen Teams am meisten lieben. Aber von allen europäischen Teams fühle ich mich den Holländern am meisten verbunden."

Justin Wilson erklärt sein orangenes Outfit so: "Ich habe viele südafrikanische Freunde, von denen ein Elternteil zumindest holländisch ist. Ich glaube hier in Südafrika kennt jeder jemanden, der holländisch oder holländische Verwandtschaft hat." Aber auch die Holländer fühlen sich den Südafrikanern verbrüdert. Tonnen, ein angereister Holland-Fan, sagt: "Wir haben zu 400 Leuten den Schiedsrichter angeschrien, als er beim letzten Bafana-Bafana-Spiel das dritte Tor wegen des Abseits für ungültig erklärte. Und wir waren am Boden zerstört, als Mphelas Ball den Torpfosten traf."

Susan Leiden, auch Teil der angereisten holländischen Fangemeinschaft, erzählt, warum sie nach Südafrika gekommen ist: "Ich fühle mich dem Land verbunden. Unsere Vorfahren sind in dieses Land gekommen und haben hier soviel Schaden angerichtet. Ich bin hergekommen, weil ich diesem Land etwas zurückgeben will."

Die Beziehung zwischen Südafrikanern und Holländern reicht lange zurück. Die Niederländer kamen 1652 ans Kap, bauten hier Siedlungen und beeinflussten Südafrika maßgeblich. Die ersten weißen Siedler des Kaps, ein Mix aus Holländern, aber auch Deutschen, Franzosen und Hottentotten, nannten sich Buren (Bauer). Sie erbauten Farmen und nahmen weite Landstriche in Südafrika für sich ein.

Später kolonialisierten die Briten Südafrika - unter großem Widerstand der Buren. In Südafrika wird unter anderem immer noch Afrikaans gesprochen, der Sprachmix aus Holländisch, Deutsch, Französisch, Malay und den Nguni-Sprachen, der sich im 17. Jahrhundert als (allgemein verständliche) Handelssprache am Kap etabliert hatte. Buren ("Afrikaaner") und Holländer können sich heute noch verständigen. Sie sehen sich anlässlich ihrer Geschichte als verwandt an.

Aufgrund dieser besonderen Beziehung und Verwandtschaft war das Kapstädter Stadion während des Holland-Spiels zu 90 Prozent in Orange getaucht. Auf einem Banner stand: "Die Kaap is weer oranje" - "das Kap ist wieder orange". Der afrikaanse Fotograf Louis Vorster erklärte seine Vorliebe zu Holland so: "Die Holländer sind die wahrscheinlich kleinste Nation bei dieser Weltmeisterschaft mit dem größten Herz und der größten Leidenschaft. Sie strengen sich mehr als jeder andere bei dieser Weltmeisterschaft an, wenn man das pro Kopf sieht. Sie haben die bestaussehenden Fans mit den kürzesten orangenen Röckchen. Und vor allem sind wir kulturell verbunden. Im Grunde sind wir alle Holländer."

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.