Initiative gegen den Spendenmangel

Oxfam-Pilotprojekt in Malawi: Hungernde erhalten Geld statt Lebensmittelrationen. Das soll Hilfe beschleunigen und lokale Märkte stärken. In dem Land im südlichen Afrika hungert ein Drittel der Bevölkerung. UN-Hilfe ist unterfinanziert

JOHANNESBURG taz ■ In dem von einer Hungersnot bedrohten Malawi greift das britische Hilfswerk Oxfam zu ungewöhnlichen Mitteln, um mit dem Mangel an Hungerhilfe für die notleidende Bevölkerung umzugehen. Seit dieser Woche können sich 48.000 Menschen in Kapichi im südmalawischen Distrikt Thyolo bei den Helfern Bargeld statt Lebensmittel abholen, um nach eigenem Gutdünken damit zu wirtschaften. Der Betrag, 20 US-Dollar im Monat pro sechsköpfigem Haushalt, ist gering. Er entspricht aber dem gegenwärtigen Wert der Essensrationen, die die Menschen vom UN-Welternährungsprogramm WFP erhalten würden, wenn dieses genug Geld hätte, um Lebensmittel einzukaufen: 50 Kilo Mais, ein Liter Öl, fünf Kilo Bohnen oder Linsen.

In Malawi leiden fünf Millionen Menschen, über ein Drittel der Bevölkerung, wegen Dürre und einer Missernte an Hunger. Präsident Bingu wa Matharika rief letzte Woche den Hungernotstand im gesamten Land aus und verlangte Hilfe für 4,6 Millionen Menschen. Der Preis für das Grundnahrungsmittel Mais ist seit Frühsommer um rund ein Drittel gestiegen und steigt wöchentlich weiter. Internationale Hilfe trifft nur mit großer Verzögerung ein. Das WFP hat zu Spenden in Höhe von 98,8 Millionen US-Dollar aufgerufen, aber nur 31 Millionen bisher erhalten. Deshalb versorgt es bislang nur drei Millionen Hungernde. Viel Geld fließt zusätzlich an der UNO vorbei von Gebern an private Hilfswerke. Um damit umzugehen, will Oxfam das neue Modell direkter Geldzahlungen an Bedürftige ausprobieren.

„Menschen in abgelegenen Gegenden haben keine Arbeit und suchen nach Wurzeln, Blättern und Früchten“, sagt James Bwirani, Oxfam-Mitarbeiter in Kapichi. „Sie essen oft weniger als eine Mahlzeit am Tag.“ HIV-Infektionen und Aids schwächen zusätzlich die Familien. Die Ältesten in den Dörfern um Kapichi haben dem Vorschlag von Oxfam zugestimmt, sagt Bwirani. Sie erhalten nun keine Essensrationen mehr, sondern im Beisein der Dorfautoritäten soll Geld an einem für alle leicht zugänglichen Ort ausgehändigt werden. Die Bewohner werden namentlich aufgerufen, mit ihrem Fingerabdruck unterzeichnen sie den Erhalt des Geldes.

Bisher, so Oxfam, wird 90 Prozent aller Nahrungsmittelhilfe in Malawi in Form von Gütern geleistet, nicht als Bargeld. „Oftmals verkaufen die Dorfbewohner ihre gelieferten Maisrationen“, sagt Ann Witteween, Oxfam-Mitarbeiterin in Pretoria. „Wir sollten den Armen mehr vertrauen, dass sie wissen, was für sie wichtig ist.“ Während des fünfmonatigen Pilotprojekts können sie von dem Bargeld auch auf dem lokalen Markt angebotene Gemüse wie Cassava, Tomaten, Zwiebeln oder getrockneten Fisch kaufen. Oder auch Medikamente. „Wir hoffen, dass damit der einheimische Markt stimuliert wird“, sagt Witteween. Wenn die Preise auf den Märkten steigen, soll auch der ausgezahlte Betrag erhöht werden.

Das Projekt in Kapichi – ein ähnliches Projekt beginnt auch im benachbarten Sambia – soll aufzeigen, wie Gelder direkt eingesetzt und damit Verzögerungen beim Ankauf von Lebensmittelhilfe umgangen werden können. Oxfam macht sich deswegen auch für die Einrichtung des neuen Nothilfefonds der UNO in Höhe von einer halben Milliarden Dollar stark, um in Krisensituationen sofort reagieren zu können. MARTINA SCHWIKOWSKI