Ciftlik-Prozess: Am Ende zwei Wahrheiten

Die Anklage fordert Bewährungsstrafe für SPD-Politiker Bülent Ciftlik. Verteidiger plädieren auf Freispruch und beklagen die Einschränkung ihrer Rechte.

Blick in eine ungewisse Zukunft: Das Urteil über Bülent Ciftlik wird bald gesprochen. Bild: dpa

"Es gibt nur zwei Möglichkeiten", erklärt Cornelius Weimar, der Verteidiger von Bülent Ciftlik, seine Sicht der Dinge: "Entweder eine große Verschwörung", die sein Mandant angezettelt habe, oder der Rachefeldzug "einer Person, die gefangen im Liebeswahn verrückte Sachen macht". Am Ende des Scheinehe-Verfahrens gegen die Eheleute Nicole und Kenan D. und den mutmaßlichen Anstifter ihrer Verbindung, Bülent Ciftlik, prallen zwei Wahrheiten aufeinander, über die das Amtsgericht St. Georg sich nun ein Urteil bilden muss.

Das Ende der Beweisaufnahme und die anschließenden Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung am Montag zeigten erneut, dass die Aussagen von Nicole D. und Bülent Ciftlik kaum eine gemeinsame Schnittmenge haben, einer der beiden Angeklagten dem Gericht einen Bären aufgebunden und diesen mit einer Vielzahl krimineller Aktivitäten zum Tanzen gebracht hat.

Für Staatsanwalt Michael Elsner und Nicole D.s Verteidiger Johann Schwenn ist die Sache klar. Keinen Zweifel könne es daran geben, dass alles sich so zugetragen habe, wie die geständige Angeklagte es berichtet. Ciftlik habe sie und Kenan bekannt gemacht, Nicole D. dazu gebracht, den von der Ausweisung bedrohten Türken zu heiraten. Als die Sache aufflog, habe er alles daran gesetzt, Zeugen zu Falschaussagen zu überreden, Beweismaterial verschwinden zu lassen und mit gefälschten, angeblich von Nicole D. verfassten Mails ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern.

"Neues aus der Fälscherwerkstatt des Bülent C.", nennt Johann Schwenn diese Mails und charakterisiert den SPD-Politiker als "Zauberer, der auf seine eigenen Tricks hereinfällt". Als angemessene Strafe dafür fordert Staatsanwalt Elsner eine neunmonatige Bewährungsstrafe. Es ist das selbe Strafmaß, das er auch bei Kenan D. für angemessen hält, während Nicole D. aufgrund ihrer umfangreichen Aussagen mit einer Geldstrafe auf Bewährung davonkommen soll.

Weimar hingegen plädiert für Freispruch. Alle Zeugen hätten im Kern die Aussagen Ciftliks bestätigt. Jeden Beweis dafür, dass sie gelogen hätten oder dass die von Nicole D. unterzeichneten E-Mails, in der sie ihr Geständnis als wahrheitswidrig bezeichnet, gefälscht wurden, seien die Ankläger schuldig geblieben.

Auch für die Behauptung von Nicole D., dies seien die Machenschaften eines von Bülent Ciftlik gesteuerten Netzwerks, entbehre jeder Grundlage. Wahrscheinlicher sei deshalb, dass bei Nicole D. "Liebe in Hass und Vernichtungswillen umgeschlagen", als sie erfuhr, dass Ciftlik im kommenden Herbst eine andere heiraten werde, sagte Weimar.

"Zwischen den Stühlen", sieht die Verteidigerin von Kenan D., Johanna Dreger-Jensen, ihren Mandanten. In ihrer Laufbahn habe sie kein Verfahren erlebt, in der mit so unglaublicher krimineller Energie, die in keinem Verhältnis zum Anklagevorwurf stehe, von einer der beiden Seiten manipuliert worden sei. Die Anwältin, die für ihren Mandanten ebenfalls Freispruch forderte, sieht sich in ihren "Verteidigungsmöglichkeiten vom Gericht eingeschränkt". Richter Wegerich hatte vor den Plädoyers die Vernehmung aller sechs Zeugen, die sie und ihr Kollege Weimar laden lassen wollten, abgelehnt, da sie zur Aufklärung des zentralen Tatvorwurfs nicht beitragen könnten.

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