Schneller Atomtransport nach Gorleben

Gestern war der neunte Transport mit atomarem Müll schon fast am Zwischenlager im niedersächsischen Landkreis Lüchow-Dannenberg angekommen. Polizei räumte Blockaden schnell. Aktivisten fürchten Renaissance des Endlagers

AKW-Gegnerin Marianne Fritzen: „Wir haben nicht alles, aber viel erreicht“

AUS GORLEBEN JÜRGEN VOGES

Genau um fünf Minuten vor zwölf erreichte gestern der Castor-Zug mit dem radioaktiven Müll aus der Wiederaufarbeitung in Frankreich den Bahnhof im wendländischen Dannenberg. Am Nachmittag wurden die zwölf Behälter in der Dannenberger Umladestation von den Waggons auf Straßentieflader gesetzt. Auch der hartnäckige wendländische Widerstand zweifelte nicht mehr daran, dass der neunte Castor-Transport nach Gorleben spätestens bis zum Dienstagmorgen das Zwischenlager erreichen würde.

1.000 bis 2.000 überwiegend einheimische Castor-Gegner hatten sich zuvor bemüht, die Atommülllieferung zumindest zu verzögern: Bei der Fahrt des Zuges quer durch die Republik gab es nach der Ankettaktion bei Bietigheim noch mehrere Mahnwachen an der Strecke und zwei kleine Blockaden in Göttingen. Auf den letzten 50 Schienenkilometern saßen vor Hitzacker in zwei weiteren gewaltfreien Blockaden gut 300 Menschen auf den Gleisen. Aber die Polizei räumte die Blockaden schnell.

Obwohl die angekündigte Sitzblockade auf der Straße gestern Nachmittag noch vorbereitet wurde, war bereits erkennbar, dass Stärke und Zahl der Aktionen im Wendland gegenüber der Castor-Transporte des Vorjahres jedenfalls nicht zugenommen hatte. In überraschend großer Zahl zur Stelle waren nur die Landwirte der Atomkraft feindlichen wendländischen „Bäuerlichen Notgemeinschaft“. Bis vier Uhr am Montagmorgen benötigte die Polizei, um die Treckerblockade auf der Straße nach Gorleben aufzulösen. Dabei beschlagnahmte sie 74 Traktoren.

Auf der Kundgebung in Quickborn, die die Bürgerinitiative eine Stunde nach der Ankunft des Zuges veranstaltete, ging es denn auch vor allem ums Mutmachen. Die BI-Mitgründerin und langjährige Vorsitzende Marianne Fritzen erinnerte vor etwa 500 AKW-Gegnern an die Erfolge, die die größte bundesdeutsche Bürgerinitiative in ihrer nunmehr 28-jährigen Geschichte erzielt hat. „Wir haben nicht alles, aber wir haben viel erreicht“, sagte die 81-Jährige. Es gebe weder das einst bei Langendorf an der Elbe geplante AKW noch die in Gorleben vorgesehene Wiederaufarbeitungsanlage und dort auch „kein funktionstüchtiges Endlager“.

Die Bürgerinitiative befürchtet aber, dass das Endlager Gorleben aber doch noch kommen könnte. In der großen Koalition gebe es möglicherweise bereits eine interne Festlegung auf den Endlagerstandort Gorleben und damit auf die sprichwörtlich billigste Lösung, sagte BI-Sprecher Francis Althoff. Es sei zu befürchten, dass andere Endlagerstandorte nur noch pro forma untersucht würden, sagte Althoff mit Blick auf Äußerungen des SPD-Umweltpolitikers Michael Müller. Der hatte eine schnellere Endlagersuche angekündigt als von Rot-Grün praktiziert. Die rot-grüne Bundesregierung hatte das Erkundungsverfahren für das atomare Endlager im Salzstock von Gorleben im Jahr 2000 unterbrochen und ein Gesetz für die Suche nach einem anderen Standort erarbeitet.

Entschieden wurde darüber vor dem Regierungswechsel nicht mehr.