Kommentar Rat der Vertriebenenstiftung: Empathie über alles

Die Prämissen der Stiftung nähren den Verdacht, der spezifische Kontext mit der Expansions- und Ausrottungpolitik Nazi-Deutschlands werde ausgeblendet.

Auf einen Sitz im Rat der "Vertriebenen"-Stiftung hat Erika Steinbach verzichtet. Aber damit sind die Probleme keineswegs vom Tisch. "Sichtbares Zeichen" (so der Arbeitstitel der Institution) hierfür war die Bestellung der Mitglieder des Stiftungsrats letzten Donnerstag durch den Deutschen Bundestag. Das Abstimmungsverfahren im Block verwehrte es den Abgeordneten, einzelne Kandidaten abzulehnen.

Deshalb kamen zwei der Kandidaten des Bundes der Vertriebenen (BdV) glatt durch, die in der Vergangenheit durch geschichtsrevisionistische, den Angriffskrieg Nazideutschlands und das System der Zwangsarbeit relativierende Äußerungen hervorgetreten waren - nicht gerade förderlich für den Stiftungszweck, "im Geist der Versöhnung" zwischen Deutschland und seinen ehemaligen Opfern zu wirken. Den Grünen und Linken war übrigens von vornherein kein Sitz im Stiftungsrat zugebilligt worden.

Auch die bisherige Geschichte der Ernennungen zur Direktion und zum wissenschaftlichen Beirat der Stiftung lässt nichts Gutes erwarten. Der Direktor Manfred Kittel hatte behauptet, das Schicksal der Vertriebenen wäre jahrzehntelang nur wenig beachtet worden, so dass man von einer "zweiten, geistigen Vertreibung der Vertriebenen" sprechen könne. Statt genauer Unterscheidungen der einzelnen Vertreibungen im 20. Jahrhundert favorisieren die Stiftungsinitiatoren eine gefühlsbetonte Vermengung des deutschen Vertriebenenschicksals mit der Geschichte aller Vertreibungsopfer des 20. Jahrhunderts. Empathie ist es, was nach Kulturminister Neumann vor allem nottut.

ist Autor der taz und seit 1989 dabei.

Solche Prämissen nähren den Verdacht, dass der spezifische historische Kontext mit der Expansions- und Ausrottungspolitik Nazideutschlands ausgeblendet wird. Kein Wunder, dass die ausländischen Mitglieder des Beirats rasch aufgegeben haben.

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