PRESS-SCHLAG
: Riss durch die schöne Fassade

DORTMUND Für die Fanbetreuer der Borussia kommt das Engagement des Vereins gegen rechts spürbar zu spät

Am späten Samstagabend strahlten sie in Dortmund wieder um die Wette: die Akteure auf dem Platz, allen voran die beiden viel bewunderten Protagonisten Marko Reus und Mario Götze, Trainer Jürgen Klopp und Geschäftsführer Joachim Watzke. Und die 80.500 feiernden Zuschauer in der regelmäßig ausverkauften Arena berauschten sich sowieso am 3:0-Erfolg ihres unaufhaltsam aufstrebenden Ensembles gegen Eintracht Frankfurt. Auch wenn das Team in der Bundesliga ein paar Stolpereinlagen hatte, die Sternstunden in der Champions League machten sie wieder vergessen. Das Erfolgsmodell Borussia Dortmund, im vergangenen Jahr auch noch mit dem Sonderpreis als bestgeführte Sportmarke Deutschlands ausgezeichnet, scheint auf den ersten Blick nur so vor Kraft zu strotzen.

Doch die schöne Fassade hat einen tiefen Riss bekommen. Davon zeugte am Samstag ein 50 Meter langes Banner, das auf der Osttribüne dort entrollt wurde, wo ansonsten der Hauptsponsor des Vereins für sich wirbt. „Borussia verbindet Generationen, Männer und Frauen, alle Nationen“ war auf dem Spruchband zu lesen. Zwei Fanbetreuer des BVB waren in Donezk von rechtsradikalen Borussia-Fans brutal zusammengeschlagen worden. Im Stadion sollte der Protest der Fans gegen rechtsradikale Umtriebe sichtbar gemacht werden. Dass dieser Protest auf der Premiumpartnerwerbefläche des Klubs etwas inszeniert wirkte, hat natürlich mit dem Markenbewusstsein von Borussia Dortmund zu tun.

Lange Zeit hielt man es wie derzeit etwa in Cottbus für die beste Lösung, die rechtsradikale Unterwanderung der Fanszene zu ignorieren, weil man das Image des Vereins nicht beschmutzt sehen wollte. Mit dem Mantel des Schweigens sollte das Problem überdeckt werden. Dabei gilt Dortmund schon lange als Hochburg der Autonomen Nationalisten. Und ihre Verbindungen in die Fanszene der Borussia waren ein offenes Geheimnis. Dass in diesem Schutzraum die rechte Fanszene prächtig gedeihen konnte, weil sich ihr niemand offen in den Weg stellte, erkannte man bei Borussia Dortmund mit Schrecken erst zu Beginn dieser Saison. Ein Banner, auf dem die Solidarität mit dem rechtsextremen nationalen Widerstand bekundet wurde, sorgte beim Bundesligaauftakt für Aufregung. Wegschauen funktionierte nun nicht mehr. Die Marke der guten und weltoffenen Borussia war in ihrem Kern bedroht. Plötzlich wurde eine Task Force gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Stadion gegründet.

Das kann man nur gutheißen, ebenso wie die nun aktuell verschäften Stadionrichtlinien, die Extremisten den Zugang zum Stadion erschweren. Für die beiden Fanbetreuer kam die Einsicht von Borussia Dortmund allerdings spürbar zu spät. So einfach lassen sich die einst geduldeten Neonazis nicht wieder aus dem Stadion rausdrängen.

JOHANNES KOPP