Sparpläne unter Beschuss: Rebellion der Minister
Angeblich boykottieren gleich mehrere Minister die Sparpläne von Finanzminister Schäuble. Allen voran stellt sich Wirtschaftsminister Rainer Brüderle quer.
BERLIN apn | Mehrere Bundesministerien sind offenbar unwillig, den Sparvorgaben von Finanzminister Wolfgang Schäuble für den Haushalt 2011 zu folgen. Vor allem Wirtschafts- und Justizministerium, aber auch die Ressorts für Verkehr, Soziales und Umwelt stellen sich nach Informationen der Süddeutschen Zeitung quer. "Manche Minister wollen offenkundig von dem, was sie bei der Sparklausur im Juni selbst beschlossen haben, nichts mehr wissen", zitierte sie Regierungskreise.
Schäuble zeigte sich bei einer Sitzung des CDU-Präsidiums massiv verärgert über das Verhalten der Kabinettskollegen. Nach Angaben von Sitzungsteilnehmern forderte er alle Beteiligten auf, Disziplin zu wahren und die getroffenen Absprachen umzusetzen. Nach dem bisherigen Fahrplan der Regierung sollen sämtliche Sparvorhaben bis Ende August in Gesetzentwürfe gegossen und vom Bundeskabinett verabschiedet werden.
Hauptquertreiber ist den Angaben zufolge Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), dessen Unterhändler sich vor allem gegen den Abbau von Vergünstigungen bei der Ökosteuer wehren. Sie argumentieren, dass bei einer Umsetzung der Beschlüsse Firmen mit hohem Stromverbrauch bis zu zehn Mal mehr Ökosteuer zahlen müssten als bisher. Das Finanzministerium bestreitet das nicht, verweist aber darauf, dass die betroffenen Betriebe derzeit oft nur Kleinstbeträge an den Fiskus überweisen müssten.
"Wenn ein Unternehmen mit einem Milliardenumsatz künftig drei Millionen statt 300.000 Euro Ökosteuer zahlen muss, reicht dafür immer noch die Portokasse aus", hieß es. Manchen Betrieben wird derzeit 97 Prozent der Ökosteuerschuld erlassen. Künftig sollen es teilweise immer noch mehr als 80 Prozent sein. Der Bundeshaushalt würde 2011 durch die Kürzungen um eine Milliarde Euro entlastet.
Genauso viel bringen soll die neue Luftverkehrsteuer, gegen die Brüderle auch zu Felde zieht. In einem internen Papier seines Hauses heißt es, die Abgabe könne für den Bund zum Minusgeschäft werden, weil bis zu sechs Millionen Passagiere auf ausländische Flughäfen ausweichen und damit viele Arbeitsplätze in Deutschland wegfallen könnten. Das Verkehrsressort moniert, dass die Steuer nicht zeitlich befristet werden soll, das Sozial- und das Umweltministerium würden die Steuersätze gerne nach Passagierklassen oder nach dem CO2- Ausstoß der Flugzeuge staffeln.
Justizministerium wehrt sich gegen Fiskusprivileg
Widerstand gegen einen anderen Sparbeschluss kommt aus dem Justizministerium. Das Haus von Ressortchefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) wehrt sich gegen das Vorhaben, im Insolvenzrecht das sogenannte Fiskusprivileg wieder einzuführen. Die Klausel erlaubt es den Finanzämtern, im Falle einer Firmenpleite als Erste auf die Konkursmasse zuzugreifen. Die übrigen Gläubiger hätten dann womöglich das Nachsehen. Schäuble erhofft sich dadurch Mehreinnahmen von 500 Millionen Euro im Jahr. Zwar haben Leutheusser-Schnarrenbergers Unterhändler alternative Sparideen vorgetragen, das Finanzministerium hält diese jedoch bisher für unzulänglich.
In der Koalition gestritten wird auch über die vorgesehenen Kürzungen im Sozialetat sowie den Umgang mit der Atombranche. So lehnte CSU-Chef Horst Seehofer es am Montag strikt ab, im Falle einer Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken die Zusatzgewinne der Betreiber über die geplante Brennelementesteuer hinaus abzuschöpfen. Sprecher des Wirtschafts- und des Finanzministeriums bemühten sich zugleich, den Haushaltskonflikt herunterzuspielen. Man werde sich schon einigen, hieß es.
Leser*innenkommentare
vic
Gast
Bin gespannt wer als nächster hinschmeisst.
Ich hab da eine Wunschliste, lass mich aber auch gerne überaschen.
Daniel
Gast
Stammtisch-Brüderle springt die Intelligenz auch nur so aus dem Gesicht.
IchBins
Gast
Haha der gute Herr B. hängt doch ganz offensichtlich an der Lein der Industrie. Die haben den richtig klasse abgerichtet, der kläfft auf Befehl wann immer die Großindustrie auch nur ein wenig belastet werden soll.
Seim
Gast
Der Brüderle ist einer der wenigen FDP-Leute, die sich nicht wie ein Dackel an der Leine führen lassen.
Sondermann
Gast
Man muss Herrn Schäuble politisch nicht mögen; aber wo er volkswirtschaftlich recht hat, ist: Staatseinnahmen und -Ausgaben nach den Gesichtspunkten von Effizienz und Gerechtigkeit auszutarieren. Im Verkehrsbereich scheint ihm das gut gelungen, im Insolvenzrecht ist seine Maßnahme zumindest effizient. Bei pauschalen versus verbrauchsabhängigen Steuern ist zu bedenken: Eine CO2-gestaffelte Flugsteuer mag gerechter sein, aber die pauschale Variante ist mit weniger Verwaltungsaufwand einzutreiben. Wenn ich den Flugverkehr umweltpolitisch sowieso reduzieren will, kann ich auch die vielen Kurzstreckenflüge durch die Pauschale unattraktiv machen. Dann lohnt sich der Aufwand der Verbrauchsstaffel nicht.