Rundfunkgebühren: Nicht nur die "Brotkrumen"

Die Bremer Linkspartei fordert, Behinderte auch künftig von der Rundfunkgebühr zu befreien. Die wiederum wollen weder Almosen noch Mitleid, sondern bessere Teilhabe. Dafür zahlen sie dann auch gerne.

Rote Karte für die Bremer Linke: Behinderte wollen gar nicht per se von Rundfunkgebühren befreit werden. Bild: dpa

Ab 2013 sollen für Funk und Fernsehen im Prinzip alle zahlen. Auch wenn sie weder das eine noch das andere besitzen. Und auch wenn sie behindert sind. Die Bremer Linke - vielleicht ein oppositioneller Reflex - findet das sehr empörend. Die Behindertenpolitiker der Stadt finden das nicht. Ganz im Gegenteil.

Bislang ist von den Rundfunkgebühren befreit, wer blind oder taub ist oder wer mindestens zu 80 Prozent behindert ist und deshalb nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen kann. Hinter der Befreiung steckt der Gedanke, dass, wer nicht das Haus verlassen kann, wenigstens umsonst Radio hören und fernsehen können soll.

Künftig sollen Behinderte, so jedenfalls die aktuellen Pläne, knapp sechs Euro im Monat zahlen. "Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt", so schreibt die Linke der Presse, würden nun "die Nachteilsausgleiche" für Menschen mit Behinderungen "massiv beschnitten". "Nachdrücklich" verlangt deshalb Monique Troedel, Fraktionschefin der Linken in der Bremischen Bürgerschaft, derlei Pläne fallen zu lassen. Und zwar "umgehend".

Ab 2013 soll es keine geräteabhängige Gebühr mehr geben, sondern eine Haushaltsabgabe. Ziel ist es, die Rundfunkfinanzierung "einfacher und transparenter" zu gestalten. Die zunehmend schwerer zu beantwortende Frage, was genau ein "Rundfunkempfangsgerät" ist, entfällt dann.

Die genaue Höhe steht noch nicht fest. Bis 2012 zahlt 17,98 Euro, wer einen Fernseher hat, 5,76 Euro, wer ein Radio oder einen internetfähigen Computer besitzt.

Zahlen müssen künftig alle BewohnerInnen einer Wohnung, aber zusammen wiederum nur einmal. Auch InhaberInnen einer Betriebsstätte müssen wohl zahlen - gestaffelt nach der Zahl der MitarbeiterInnen.

Der blinde Landesbehindertenbeauftragte Joachim Steinbrück fordert dies nicht. Und auch nicht Horst Frehe von den Bremer Grünen. Parlamentarier Frehe, von Haus aus Sozialrichter, sitzt im Rollstuhl, hat einst die "Krüppelbewegung" mit begründet. Er ist dagegen, an Behinderte "Brotkrumen" zu verteilen, "die vom Tisch fallen". Hier werde, sagt Steinbrück, einem "medizinischen Behindertenbild" das Wort geredet. Sogar das böse Wort von der "Diskriminierung" nimmt er in den Mund. Ihn stört schon die Rede vom "Nachteilsausgleich". Die Gebührenbefreiung findet er "ambivalent": Das habe "den Beigeschmack von Almosen und Mitleid", sagt Steinbrück, vermittele das Gefühl: Behinderte - "das sind arme Würstchen". Ohnedies, sagt Frehe, würden die Gebührenbefreiungen von den Sozialgerichten "kaum noch" gewährt. Weil es zunehmend seltener vorkomme, dass Menschen ob ihrer Behinderungen gar nicht am öffentlichen Leben teilnehmen könnten.

Die Behindertenpolitiker sprechen lieber von der gleichberechtigten Teilhabe. "Ich erwarte nicht, dass das Fernsehen für mich umsonst ist, weil ich nichts sehe", so Steinbrück. "Ich erwarte, dass die Rundfunkanstalten spezielle Angebote vorhalten". Genau davon aber, so Steinbrück, gebe es "zu wenig". Also etwa Programme in leichter oder Gebärdensprache, mit Untertitelung oder Audio-Deskription. Und dafür, sagt er, seien die Behinderten auch bereit, Gebühren zu zahlen. Zumal ja auch nicht automatisch einkommensschwach sei, wer behindert ist. Der Idee einer in eigener Sache "zweckgebundenen" Rundfunkabgabe von Behinderten, wie sie einige LobbyistInnen äußern, steht der Jurist Frehe jedoch skeptisch gegenüber. Es sei fraglich, ob das rechtlich überhaupt zulässig sei. Er spricht sich für ein "politisches Junktim" aus, das einerseits Blinde oder Gehörlose nicht länger per se von den Gebühren befreit, andererseits aber in den Mediengesetzen die Verpflichtung festschreibt, dass TV-Programme untertitelt werden und mit speziellen Bildbeschreibungen ausgestattet sein müssen.

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