Sommer im Museum: Wo Schiffe warten müssen

In Brunsbüttel beginnt oder endet - je nach Sichtweise - der Nord-Ostsee-Kanal. Auf der Schleuseninsel steht ein Museum voll mit Wissenswertem über den Kanal. Und manchmal lässt sich dabei zusehen, wie Kapitäne sich die Zeit vertreiben.

Schiffe fahren in der Brunsbütteler Schleuse in die Schleusenkammer des Nord-Ostsee-Kanals ein. Bild: dpa

Es gab mal Zeiten, da war Geld übrig. Da konnte es genutzt werden, um neue Ideen auszuprobieren und Gutes zu schaffen. Anfang der 70er Jahre wars, als der damalige Leiter des Brunsbüttler Wasser- und Schifffahrtsamtes, Ulrich Plate, Geld in die Hand nahm und seine Lehrlinge erste Schiffsmodelle und Texttafeln bauen ließ - Grundstock für das heutige Schleusenmuseum auf der Schleuseninsel von Brunsbüttel, wo der Nord-Ostsee-Kanal endet oder beginnt, je nach Sichtweise, und die ist für die Brunsbüttler ja klar. Und so ist man zu Recht stolz auf den hellen, freundlichen Bau, den man unbedingt besuchen sollte, hat man erst einmal auf einer der Plattformen zugeschaut, wie die Schiffe in der Schleuse auf den richtigen Wasserstand warten.

Hier wird sehr kompakt Wissenswertes über den Nord-Ostsee-Kanal präsentiert - wo doch zum Leidwesen der Brunsbüttler der Kanal in der internationalen Schifffahrtssprache "Kiel Kanal" genannt wird, dabei fahren heute mehr Schiffe von Brunsbüttel nach Kiel als umgekehrt.

Aber Schwamm drüber, es geht erst einmal in die Geschichte und dazu kann der Besucher manch Interessantes erfahren: Etwa, dass schon die Wikinger darüber nachdachten, wie sie sich den nicht ungefährlichen Weg von der Nordsee über die Nordspitze Dänemarks in die Ostsee sparen könnten. Wie dann schließlich Ende des 18. Jahrhunderts unter der Herrschaft Christians VII. von Dänemark der Fluss der Eider von Kiel bis Rendsburg als "Eider Canal" genutzt wurde - worauf der Nord-Ostsee-Kanal später aufbauen sollte. Sehr eindrucksvoll ist auch eine Seekarte, auf der für den Zeitraum von 1873 bis 1887 die damals gestrandeten und in Seenot geratenen Schiffe auf dem Weg um Dänemark herum einzeln eingezeichnet sind.

Kleine, feine und vor allem: unbekannte Museen des Nordens zeigen wir in dieser - in loser Folge erscheinenden - Reihe. Dazu zählen von Privatinitiativen gepflegte Gedenkorte, Museen zu zunächst abseitig erscheinenden Themen oder Häuser voller Preziosen inmitten idyllischer Landschaft.

Und weiter geht es durch die Jahrzehnte, wird erzählt, wie der Kanalbau ab dem Jahr 1887 auch als Teil der damaligen Aufrüstungs- und Flottenpolitik zu verstehen ist, sollten doch die Schiffe der Kriegsmarine in Windeseile von der Nord- in die Ostsee und umgekehrt verlegt werden können, um damit den Anspruch des deutschen Reiches auf beide Gewässer nicht nur zu unterstreichen, sondern auch durchzusetzen. Weshalb der Kanalbau entscheidend erst von Bismarck, dann von Kaiser Wilhelm II. vorangetrieben wurde.

Erhalten ist auch ein Stück des Taus, das damals die kaiserliche Yacht "Hohenzollern" durchschnitt, als der Kanal nach acht Jahren Bauzeit endlich fertig gestellt war. Richtig groß gefeiert wurde seinerzeit übrigens weniger in Kiel oder erst recht nicht in Brunsbüttel, sondern in Hamburg: mit eigens aufgeschütteter Insel in der Alster, auf der für einige Tage ein Leuchtturm stand.

Und noch etwas ist zu erfahren, das vielleicht weniger bekannt ist: Der Kanal dient bis heute nicht allein der Schifffahrt. Dank seiner Existenz wird Schleswig-Holstein immer wieder rund ums Jahr entwässert. "Sie stecken bei Wilster den Spaten in die Erde und schon gurgelt es", erklärt dazu die Stadtführerin, die an diesem Morgen Dienst hat: "Wir liegen dort gut 3,50 Meter unter dem Meeresspiegel." Und damit das Wasser der Marschen auch abfließen kann, wird es mittels verschiedener Schöpfwerke entlang des Kanals diesem zugeführt, weshalb er reinstes Süßwasser führt. Zu verfolgen ist dies anhand eines Reliefmodells, bei dem per Knopfdruck auch die diversen Kanalfähren angezeigt werden können - für den Fall, dass man auf der Weiterfahrt die Autobahnhochbrücken bei Schafstedt und bei Rendsburg meiden und sich lieber gemächlich durchs Land schlängeln möchte.

Keinesfalls verpassen sollte man es, sich einen der älteren Filme über den Kanalbau anzuschauen, seinerseits ein Dokument: Denn auf mittlerweile verrauschtem und zwischendurch leicht stockenden Videomaterial begegnet uns der einstige Ohnsorg-Theater-Schauspieler Karl Heinz Kreienbaum, der in gelben Gummistiefeln und Pudelmütze und mit leicht norddeutschem Slang auf seine Weise durch die Geschichte des Kanalbaus führt.

Das ist ergreifend putzig und niedlich, aber manchmal auch überraschend politisch: Denn Kreienbaum erzählt neben manch Technischem von den damaligen Arbeitsbedingungen, von Arbeitsunfällen, tristen Unterkünften entlang der Strecke und davon, dass die Kanalbaugesellschaft sich seinerzeit heftig gegen ein beabsichtigtes Schnapsverbot engagierte, seien die Strapazen eines solchen Bauvorhabens doch nur mit Bier und Schnaps zu bewältigen.

Entstanden ist der kurze Film im Jahr 1979, produziert hat ihn seinerzeit der NDR - der damals noch ganz zu recht "Rotfunk" genannt werden durfte. Lang, lang, ists her.

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