Bremen ist stolz auf Bernd Neumann

Was nie ein Sozialdemokrat schaffte – Bernd Neumann hat es geschafft: Ohne starken Landesverband im Rücken hat er einen Posten im Kabinett Merkel bekommen. Sein Verdienst: Er hat rechtzeitig und treu auf Angela Merkel gesetzt und sie unterstützt

„Sie stehen in der Tradition nationalsozialistischer Bücherverbrenner!“Zu stürzen ist Neumann nicht, dazu hält er die Fäden zu geschickt in der Hand.

Bremen taz ■ Der erste Bremer in einem Kabinett auf Bundesebene – da ist sogar der Sozialdemokrat Henning Scherf, dessen entsprechende Ambitionen gescheitert sind, stolz. „Nun darf er“, formulierte Scherf, und das sogar „nahe an der Kanzlerin“. Er habe seinem Koalitionspartner Bernd Neumann „immer die Daumen gedrückt“. Die Bremer CDU gratuliert pflichtschuldigst. Der Fraktionsvorsitzende Helmut Perschau scheint vergessen zu wollen, was er an bösen Scherzen bei Merkels Besuch in Bremen zu Zeiten, als sie „nur“ Generalsekretärin war, gemacht hat. Neumann hatte damals schon ganz auf Merkel gesetzt – „Wir sind stolz auf Bernd Neumann“, erklärte Perschau gestern.

Was qualifiziert den 1942 in Westpreußen geborenen und von seinem Vater „Bernd Otto“ genannten Neumann für das neue Amt? Sicherlich keine großen kulturpolitischen Reden. Der Direktor des Sprengel Museums in Hannover, Ulrich Krempel, legte in aller Höflichkeit den Finger in die Wunde: Er würdigte Neumanns Vorgänger, die „ein großes Herz für die Kultur gehabt haben, weil sie selbst aus der Kultur stammen“. Neumann eben nicht. Neumann wurde 1998 „Obmann der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für Kultur und Medien“, ist seit 1999 Mitglied im Verwaltungsrat und im Präsidium der Filmförderungsanstalt (FFA). Und Rundfunkrat Bremen. Mehr Kultur war da nicht in der Vita. Aber Neumann weiß, wie Politik funktioniert. Er ist ein Profi (vgl. Portrait taz Seite 2). Seit 1979 ist er unangefochten CDU-Landesvorsitzender in Bremen und hält mit großem politischen Fingerspitzengefühl die Fäden in der Hand. Die langjährige politische Erfahrung des 63-Jährigen, der sehr früh schon zu den treuen Unterstützern von Angela Merkel stieß, qualifizieren Neumann für den Posten des Kulturstaatsministers, nicht kulturpolitische Duftmarken. Unter Kulturinteressierten wird Neumann unter dem Stichwort „Bücherverbrennung“ eine alte Geschichte nachgetragen. Vor 28 Jahren, so weit muss man für eine Affäre zurückgehen, hatte der studierte Lehrer sich über die Behandlung eines Erich-Fried-Gedichtes im Schulunterricht empört. Und von dem damaligen SPD-Abgeordneten Henning Scherf, dem „roten Tuch“ und Juso-Vorsitzenden, durch einen Zwischenruf provozieren lassen. Scherf: „Sie stehen in der Tradition nationalsozialistischer Bücherverbrenner!“ Neumanns Antwort: „Ja, so etwas würde ich lieber verbrannt sehen, das will ich Ihnen einmal ganz deutlich sagen!“ Als Horst-Werner Franke, damals Senator für Wissenschaft und Kunst, ihn aufforderte, den Satz zu korrigieren, „weil er ein ganz schlimmer Satz ist“, rief ihm Neumann zu: „Welcher denn?“ Neumann hat sich damals schnell mit Fried an einen Tisch gesetzt, bei dem heutigen Neumann würde man eine derartige unprofessionelle Reaktion nicht mehr erwarten. Neumann wurde damals aus der GEW ausgeschlossen, trat aber in die ÖTV ein, weil er sich zu den „Sozialausschüssen“ der CDU zählt. Die Fried-Affäre von 1977 kennzeichnet den Politiker Neumann von 2005 nicht. Neumanns neues Berliner Amt wirft einmal mehr die Frage auf, wenn er endlich für den Generationswechsel an der Spitze der Partei Platz macht. Zu stürzen ist Neumann in Bremen nicht, dazu hält er die Fäden in Bremens CDU zu geschickt in der Hand. Die Frage, wer ihn als Parteivorsitzender beerben könnte, zeigt aber eine große Schwäche seines parteiinternen Regiments: Den Bausenator Jens Eckhoff, der ein Talent dazu hätte, hat Neumann jüngst CDU-intern deklassiert und den parteipolitisch farblosen Innensenator Thomas Röwekamp in höchsten Tönen gelobt. Der hat noch keinen Parteitag mit seiner Rede beeindruckt.

Klaus Wolschner