berliner szenen Diebstahl in the Hood

Kleine Verluste

Beim Vorbeifahren mit dem Rad an den Junkies am Kottbusser Tor regt sich manchmal die Versuchung, die Tasche aus dem Fahrradkorb zu nehmen, um die Schulter zu hängen oder sonst irgendwie festzuhalten. Es kostet ein klein bisschen Überwindung, dieser Regung zu widerstehen; aber ich finde das doof, und die machen auch nichts, die hängen da nur rum, schimpfen – „ick hab keene Lust mehr“ –, trinken Bier und sehen krank aus. Es ist auch noch nie was passiert.

Vor dem Kottbusser Tor kommt jedoch die verkehrsberuhigte Admiralstraße mit dem Feuerwehrdenkmal. Am frühen Abend, es ist schon dunkel, machen mich eine verdächtige Bewegung am Gepäckträger und das Geräusch von weglaufenden Turnschuhen einen Moment zu spät stutzig. Tasche weg, Traube kleiner Jungs pest um die Ecke. Ich stelle die Älteren, die am Straßenrand rumhängen, zur Rede, eigentlich nur pro forma und um was zu tun. Das Ergebnis ist entsprechend: „Woher willst du wissen? Das war mein kleiner Bruder! Hol doch die Polizei!“ Als ob sie mir helfen wollten, ziehen sie Erkundigungen ein – ergebnislos. Das geht ungefähr eine halbe Stunde so, dabei ist mir der Diebstahl inzwischen fast egal. Auch die Hood ist schon genervt von dieser Handtascheneigentümerin, mittlerweile hat sich wahrscheinlich herumgesprochen, wie mager die Beute ist. Gerade das letzte Geld beim Schuster gelassen, der reparierte Schuh liegt lose und wohlbehalten im Körbchen, das Handy war von vorgestern, aber der Lippenstift war super, ganz neu und hat 9,90 gekostet! Endlich zieht die Alte ab.

Tage später parkt das Rad vor dem Schwimmbad. Es ist schon wieder dunkel, als ich rauskomme. Leider ist das nur mobil befestigte Rücklicht weg.

KATHRIN SCHINGS