ABSCHIEBUNG IN DEN KOSOVO: Schwarzer Peter bei der SPD

349 Roma sollen Bremen verlassen, sie erwartet Elend. Auf einem Podium plädieren Grüne, Linke und FDP für ein Bleiberecht. Die verantwortliche SPD verweist auf den Bund.

Ohne Zukunft auf dem Balkan: Roma-Kinder Bild: dpa

Es sei "traurig, dass man sich gegen unseren Staat auflehnen muss", sagte Ex-Minister Christian Schwarz-Schilling (CDU). Das hörten die über 100 ZuhörerInnen in der Stephanie-Gemeinde gern. Denn danach, sich aufzulehnen, war den meisten schon zu Beginn des Abends zumute. Die Frage war nur: Gegen wen?

Seit Jahren leben in Bremen 349 Roma, die in das Kosovo ausreisen sollen. Am Mittwoch konfrontierte der Flüchtlingsrat Vertreter aller Parteien mit den Befunden darüber, was abgeschobenen Roma im Kosovo droht: "Sie leben dort auf und vom Müll", sagte Schwarz-Schilling, der als Hoher Repräsentant der UN jahrelang auf dem Balkan tätig war. Kosovo habe "nicht gewagt, sich gegen den Druck Deutschlands zu stellen" und sich 2009 verpflichtet, Flüchtlinge zurückzunehmen. Doch Roma seien dort Freiwild, "gejagt" aus rassistischem Hass. Wegen ihrer Verfolgung durch die Nazis forderte Schwarz-Schilling ein Bleiberecht für Roma. Er kritisierte, dass die Bremer CDU als einzige Partei keinen Vertreter für den Abend entsandt hatte.

Der schwarze Peter lag jedoch bei dem innenpolitischen Sprecher der SPD, Thomas Ehmke. Seine Partei führt das Innenressort und dort gebe es "Vorbehalte" gegen ein Bleiberecht für Roma. Gleiches gelte für die SPD-Bürgerschaftsfraktion. "Dass will ich hier der Ehrlichkeit halber nicht verheimlichen", sagte Ehmke den ihm gegenübersitzenden Roma aus Blumenthal. "Der Meinungsbildungsprozess ist da aber noch nicht abgeschlossen." Das eigentliche Problem sei jedoch, dass sich unter den Bundesländern "überhaupt keine Mehrheit" für die nötige nationale Regelung abzeichne. Doch immerhin habe ihm die Innenbehörde zugesagt, keine Familien mit minderjährigen Kindern abzuschieben.

Die Demo "Alle Roma bleiben hier" beginnt am Samstag, 21. August um 14 Uhr vor dem Bremer Hauptbahnhof

Gleichzeitig können die Forderungen der Demo ab sofort im Zuge einer Postkartenaktion an den Innensenator Ulrich Mäurer gerichtet werden.

Sie lauten im Einzelnen: Die Ausländerbehörde anzuweisen, Roma-Familien nicht mehr zur “freiwilligen Ausreise” zu drängen

Das “Rückführungsabkommen” zwischen der Bundesregierung und dem Kosovo zu boykottieren

Die Verlängerung der Bleiberechtsregelung ohne weitere Bedingungen

Roma humanitären Aufenthalt zu gewähren

Gesundheitliche Abschiebehindernisse anzuerkennen

Kriegsflüchtlingen aus Ex-Jugoslawien statt Duldungen ein sicheres Bleiberecht zu gewähren

Bereits abgeschobenen Familien und Einzelpersonen die Rückkehr zu gestatten

Die Postkarte steht zum Download bereit: http://thecaravan.org/files/caravan/Karte-meuer-roma.pdf

Roma widersprachen ihm lautstark. Ein Familienvater zeigte Ehmke einen Brief, in dem die Ausländerbehörde ihn und seine schwer herzkranke Frau auffordert, samt Kinder Deutschland bis zum 16. 9. zu verlassen. "Die Leute werden von der Ausländerbehörde massiv und verbal sehr hart zur freiwilligen Ausreise gedrängt", sagte Britta Ratsch-Menke vom Flüchtlingsrat.

Er habe eine "klare Haltung", sagt der Grüne Björn Fecker und forderte uneingeschränktes Aufenthaltsrecht. Der SPD liege ein Grünen-Antrag für einen befristet möglichen Abschiebestopp auf Landesebene vor. Dadurch gewinne man sechs Monate um "genügend Länder zu finden, die sagen, wir machen den Irrsinn nicht mit", sagte Fecker.

Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Monique Troedel, verwies darauf, dass ihre Partei eine hierauf zielende Resolution schon längst in die Bürgerschaft eingebracht hatte. "Die historische Verantwortung gegenüber den Roma tragen wir alle." Und auch der neben ihr sitzende FDP-Landesvorsitzende Oliver Möllenstädt sagte, dass er "eine gewisse Sympathie" für eine solche Regelung habe. "Die historische Begründung kann ich gut nachvollziehen." Morgen wollen mehrere hundert Roma aus Bremen und Niedersachen gegen ihre Abschiebung demonstrieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.