taz vor 14 jahren
: Kampf um die UN-Reform

In zehn Jahren beharrlicher, bescheidener, immer wieder von bitteren Frustrationen gezeichneter Arbeit hat Javier Pérez de Cuellar dem Amt des UNO-Generalsekretärs etwas von dem Profil zurückgewonnen, das ihm die Gründer der Vereinten Nationen zugedacht hatten.

Da für eine UNO-Reform an Haupt und Gliedern, die vor allem mit der Privilegierung der Ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats und der gegenwärtigen Konstruktion der Generalversammlung hätte brechen müssen, keinerlei Realisierungschancen absehbar waren, konzentrierten sich die Hoffnungen de Cuellars auf die Stärkung der Exekutive.

Es fällt schwer, seinem Nachfolger Ghali eine Fortsetzung dieser Linie zuzutrauen. Zu deutlich steht seine Wahl im Zeichen des Kompromisses zwischen den Forderungen vor allem der „jungen“ Staaten Afrikas und dem Beharren der Supermächte auf einem berechenbaren, sprich manipulierbaren Kandidaten. Ghali bietet alles auf, was die Ängste des „Westlers“ zerstreut: Er ist Christ, mit einer Jüdin verheiratet – und er steht an der Schwelle zum Greisenalter.

Der neue Generalsekretär muß die ihm schon jetzt zugestandenen Rechte, vor allem seine Möglichkeit, den Sicherheitsrat auf krisenhafte Entwicklungen hinzuweisen, voll ausschöpfen, darauf bestehen, daß Fact-finding- Missions und die Entsendung von Beobachtern unter seiner Regie möglich sind und nachträglich auch finanziert werden. Vor allem aber muß er die Weltmeinung auf seine Seite ziehen. Mit einem Wort: Er wird kämpfen müssen.

CHRISTIAN SEMLER, 23. 11. 1991