ÖKODESDIGN ALS GESCHÄFT: Das Gute muss nicht hässlich sein
Leopold Brötzmann hat eine Mission: Er verkauft Produkte, die ökologisch nachhaltig und schön sind. Aus seiner Leidenschaft ist ein gutes Geschäft geworden.
Ein Regencape aus Kartoffelstärke: Erst vor Kurzem hat es der Berliner Leopold Brötzmann noch getragen, als es so heftig zu regnen anfing. Und nach dem Regen, fügt er hinzu, kann ich das gute Stück auch noch im Garten vergraben und vielleicht wächst ein Baum daraus. Man sollte Brötzmann nicht für verrückt halten, wenn er so redet. Der Mann hat eine Idee: Er will Design, das nachhaltig, clever und ökologisch sinnvoll ist.
Angefangen hat alles vor zwei Jahren mit einem Blog, in dem Brötzmann das tat, was er ohnehin gerne macht: über Nachhaltigkeit reden, Produkte vorstellen und vor allem Leute zum Umdenken anregen. So ist auch "Lilli Green" entstanden, eine fiktive Figur, jedoch mit ganz konkreten Vorstellungen. "Lilli Green", die Verächterin von Umweltsünden und CO2-Schleudern, wie es im Blog lilligreen.de heißt, ist gewissermaßen die Nachhaltigkeit in Person. Sie steht für fairen Handel, umweltverträgliche Materialien und energieeffiziente, ansprechende Designstücke, die Brötzmann seit gut einem Jahr übers Internet vertreibt.
Die Ausstellung: "Zur Nachahmung empfohlen! Expeditionen in Ästhetik und Nachhaltigkeit"ist vom 3. September bis zum 10. Oktober in den Weddinger Uferhallen (Uferstraße 8-11) zu sehen. Mehr Informationen auf der Webseite von Leopold Brötzmann: www.lilligreen.de.
Vieles sind Recyclingartikel, wie der Handtuchhalter, den ein alter Flaschenhals ziert, oder die Tasche, die eine ausgediente Wärmflasche vor Regen schützt. Nicht alles ist ganz billig, aber auch für unter zehn Euro lassen sich einige Artikel auftreiben. "Optisch und inhaltlich gut" sollen die Produkte sein, sagt Brötzmann. Einige davon wird er ab diesem Freitag einen Monat lang auf der Ausstellung "Zur Nachahmung empfohlen! Expeditionen in Ästhetik und Nachhaltigkeit" in den Weddinger Uferhallen vorstellen. Bücher, Recycling-Produkte und ein Großteil des Angebots aus dem Onlineshop sollen den Besuchern Anregungen zu mehr Nachhaltigkeit im Alltag geben.
Im Gegensatz zu seinen Produkten ist der Ende-zwanzig-jährige Vater zweier Kinder wenig auffällig. Zum Dreitagebart trägt er eine angedeutete Hornbrille, dazu einen grauen V-Neck-Pullover. Er spricht leise, wird leicht verlegen, wenn er das Gefühl bekommt, mit seinen Ideen zu weit abzuschweifen. "Mir geht es nicht darum, die Welt zu retten", sagt er. "Ich will einfach nur Produkte verkaufen, die bestimmte Funktionen vereinen." So korrekt und normal, wie er wirkt, neigt man dazu, ihn im Gespräch permanent zu mustern. Sieht so ein überzeugter Öko aus? Als ob er Gedanken lesen kann, lenkt er ein. Betont, dass er kein Moralapostel sein will, sondern sich einfach nur mehr Umdenken von den Leuten wünscht: "Bei den Produkten im Supermarktregal auch mal auf die Rückseite schauen." Jeder müsse sich überlegen, wo er anfangen will.
Die Verbindung von Umweltbewusstsein und Geschäftssinn hat Brötzmann gelernt. Der studierte Marketingfachmann hat seine Abschlussarbeit über die Vermarktung von Bioprodukten geschrieben. Doch den endgültigen Anstoß, ästhetisch ansprechende Produkte mit einem ökologischen Nachhaltigkeitsgedanken zu verbinden, gab ein Buch - "Design by Nature". Heute kann der Jungunternehmer vier Angestellte beschäftigen, die sich um Versand und Shop kümmern. Hergestellt werden die Produkte wie "Mr. Wilson", der frühere Tennisball, der jetzt als Handtuchhalter dient, und "Son Jar", die Solarlampe aus dem Einweckglas, von ganz unterschiedlichen Unternehmen. "Von der Ein-Mann-Manufaktur aus Berlin über mittelständische Betriebe bis hin zu großen Unternehmen, die eine besonders ökologische Produktlinie haben, ist alles dabei", erklärt Brötzmann. Eigene Produkte gibt es bislang nicht. "Ist aber alles in Planung", versichert er und fügt hinzu: "nur noch nicht spruchreif". Da ist er ganz Geschäftsmann.
Dass seine Artikel durchaus von einem emotionalen Faktor profitieren, nämlich dem Gefühl, etwas Sinnvolles gekauft zu haben, findet er nicht weiter schlimm. Klar ist, dass es ein Unternehmen wie "Lilli Green" vor ein paar Jahren wohl kaum gegeben hätte. Auch wenn Nachhaltigkeit heute ein Begriff ist, mit dem man sich gerne schmücken möchte, glaubt Brötzmann, dass sich etwas im Bewusstsein der Konsumenten verändert hat. Dennoch ist die Idee von nachhaltigem Design eine Gratwanderung - weil Design an sich ja von Innovationen und permanenter Veränderung lebt. Das weiß auch Brötzmann. "Sicher gibt es das Klischee, dass das, was nachhaltig ist, nicht auch cool sein kann", sagt er. Wahrscheinlich ist es jedoch genau das, was ihn antreibt: zu zeigen, dass es möglich ist, ansprechende Produkte zu vertreiben, hinter denen auch noch eine clevere Idee steckt.
Die Frage nach seinem Lieblingsartikel bekommt er oft gestellt. "Vielleicht ist es die Fahrradlampe, die man von Hand mit einer Kurbel aufladen kann", sagt er. Oder die Uhr, die ihre gesamte Energie aus zwei Pflanztöpfen bezieht, zwischen denen eine chemische Reaktion abläuft. Ist seine Wohnung nicht voll von den Designstücken, die er im Internet vertreibt? Brötzmann schmunzelt verlegen. Er müsse sich da schon zügeln. "Schließlich will ich die Sachen ja noch verkaufen."
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