Kenianer lehnen die neue Verfassung ab

Mit einer überzeugenden Mehrheit hat die Bevölkerung den Entwurf für ein neues Grundgesetz abgelehnt. Das Scheitern des Referendums ist aber auch ein Misstrauensvotum gegen die Regierung von Präsident Mwai Kibaki

NAIROBI taz ■ Kenia geht einer unsicheren Zukunft entgegen. Präsident Mwai Kibaki muss rigorose Maßnahmen ergreifen, nachdem das Referendum über eine neue Verfassung am Montag mit 58,5 Prozent der Stimmen abgelehnt wurde. Der Staatschef selbst führte die Kampagne zur Änderung des über vierzig Jahre alten Grundgesetzes an. Er wurde dabei jedoch nur von einem Teil seiner Regierung unterstützt. Der andere Teil führte eine Kampagne gegen den Entwurf.

Ursache der Kontroverse, die Kabinett und Land gespalten hat, sind unterschiedliche Vorstellungen über die Rolle des Präsident. Bei dem Referendum ging es um einen Vorschlag, der die Machtfülle des Staatsoberhauptes kaum antastet. Seine Gegner wollten die Kompetenzen des Präsidenten zugunsten eines neu zu schaffenden Regierungschefs beschneiden. Dies war auch die ursprüngliche Intention einer Verfassungsänderung. Ein entsprechender Entwurf, der mit breiter Beteiligung gesellschaftlicher Gruppen erarbeitet worden war, stieß jedoch auf den Widerstand Präsident Kibakis und seiner Mitstreiter und wurde stark verwässert.

Das Ergebnis des Referendums zeigt, dass die Kenianer gemäß ihrer ethnischen Abstammung gewählt haben. So ist die Zentrale Provinz die einzige, in der fast alle mit Ja gestimmt haben. Hier leben vor allem Angehörige der Ethnie der Kikuyu, der größten des Landes, der auch Kibaki und die ihm treuen Minister angehören. Der Menschenrechtsanwalt Maina Kiai sagt denn auch: „Für die Bevölkerung war das Referendum nicht eine Abstimmung über den Verfassungsentwurf, sondern über die ethnische Zugehörigkeit. Außerdem bot es die Möglichkeit, nach drei Jahren Kibaki-Regierung eine Bilanz zu ziehen.“

Das Ergebnis ist daher auch ein Misstrauensvotum gegen Kibakis Politik. Im Jahr 2002 gewann eine damalige Koalition von Oppositionsparteien unter seiner Führung die Wahlen. Der Kampf gegen die weit verbreitete Korruption und die Armut waren zentrale Verspechen. Doch nun sind die Kenianer zutiefst enttäuscht. Die Meinung, dass Kibakis Kabinett für den winzigen reichen Teil der Bevölkerung da ist und nichts unternimmt, um die Probleme der armen Bevölkerungsmehrheit zu verringern, ist weit verbreitet.

Angesichts der unversöhnlich geführten Kampagne und der Spaltung des Kabinetts muss Kibaki nun eine Regierungsumbildung vornehmen. Möglicherweise kommt es auch zu vorgezogenen Neuwahlen. Sicher ist, dass Kenia vorläufig mit einer überholten Verfassung weiter leben muss, in der etwa Frauen nicht gleichberechtigt sind. Der einflussreiche kenianische Wirtschaftsverband KAM geht davon aus, dass die durch die Ablehnung der Verfassung entstandene Lage auch der Wirtschaft schaden wird: „Eine gespaltene Regierung oder hohe Staatsausgaben für vorgezogene Wahlen haben eine negative Auswirkung für das erwartete Wachsum von 5 Prozent“, heißt es in einer Erklärung. ILONA EVELEENS