THEATER: Totgesagte leben länger
Während das Kulturressort heute die Seebühne beerdigen will, basteln die KollegInnen von der Wirtschaftsförderung bereits an einer etwaigen Wiederauferstehung.
Der Aufsichtsrat des Bremer Theaters berät heute über die Zukunft der Seebühne. Die 2008 vom damaligen Intendanten Hans-Joachim Frey eingeführte Open Air-Oper an der Waterfront hat dieses Jahr mit "Turandot" einen Verlust von 260.000 Euro erwirtschaftet - von daher ist zu erwarten, dass der unter Vorsitz von Kulturstaatsrätin Carmen Emigholz (SPD) tagende Aufsichtsrat keine weitere Seebühnen-Produktion genehmigt. Derartige "Risikoprojekte" seien unter den derzeitigen Konsolidierungs-Bedingungen des Bremer Theaters nicht zu vertreten, erklärt das Kulturressort.
Im Wirtschaftsressort hingegen wird überlegt, wie die Seebühne weiterhin betrieben werden kann. "Die Wirtschaftsförderung prüft derzeit einen konzeptionellen Neustart", bestätigt Ressortsprecher Holger Bruns auf Nachfrage. Ob die Wirtschaftsförderung Bremen (WFB) dabei selbst als Betreiberin in Frage kommt, sei "komplett offen". Generell gelte, dass in die "Institution Seebühne" zwar Know-how und Arbeitskraft, aber keine finanziellen Zuschüsse investiert werden sollten. Ist eine Ausfallbürgschaft der öffentlichen Hand denkbar? "Jetzt erst mal nicht", sagt Bruns. Kein klares Nein also - aber verbunden mit der Beteuerung, eine Bürgschaft sei "nicht Grundlage der Überlegungen". Planungsvorgabe sei vielmehr, dass das Kostenrisiko für die öffentliche Hand "gen null" gehen müsse.
Eine realistische Risikoabschätzung setzt freilich voraus, dass ihr eine Vollkostenrechnung zugrunde liegt. Das war bei keiner der drei bisherigen Seebühnen-Produktionen der Fall. Der "Fliegende Holländer" bilanziert mit 70.800 Euro, "Aida" mit 77.800. Gegen die "Turandot"-Verluste gerechnet ergibt das eine offizielle Seebühnen-Bilanz von minus 110.000 Euro. Doch darin sind, unter anderem, weder die Personalleistungen der Theater-Mitarbeiter enthalten noch die Kosten für Aushilfen, die wegen des Waterfront-Einsatzes am Goetheplatz gebraucht wurden.
Exakte Berechnungen sind schwierig, da der Aufsichtsrat des Theaters erst bei "Turandot" eine Dokumentation der Arbeitsleistungen durchsetzte. Insider-Schätzungen gehen insgesamt von etwa einer Million Euro Mehrkosten aus. Da fällt dann kaum noch ins Gewicht, dass bei "Turandot" Standardposten wie die für den Musikverlag fälligen Tantiemen nicht eingerechnet waren: 50.000 Euro für 14 Vorstellungen. In jedem Fall würde die neue Theaterleitung sämtliche faktischen Kosten bei einer etwaigen weiteren Seebühnen-Produktion in Rechnung stellen.
Ungeachtet aller Unklarheiten läuft bereits die Werbung für die Seebühnen-Saison 2011: "Carmen" von Georges Bizet. Ex-Intendant Frey hatte die Marketingmaßnahmen eigenmächtig veranlasst - ungeachtet eines Aufsichtratbeschlusses, demzufolge keinerlei Aktivitäten für Sonderprojeke ohne dessen ausdrückliche Genehmigung begonnen werden dürfen. Schon bei "Turandot" wurde "Carmen" als kommendes Event beworben. Falls die Wirtschaftsförderung tatsächlich einsteigt, plant auch sie nach Angaben von Holger Bruns mit 2011 als nächstem Produktionstermin.
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