GERICHT URTEILT: SICHERUNGSVERWAHRUNG: Sexualtäter weggeschlossen

Das Landgericht verurteilt einen 46-Jährigen zu Haft und Sicherungsverwahrung - just zu einer Zeit, in der Politik und Juristen über den Sinn dieser Maßnahme diskutieren.

Zehn Jahre Haft und anschließende Sicherungsverwahrung wegen besonders schwerer Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs - so lautete am Montag das Urteil des Landgerichts über den einschlägig vorbestraften Uwe K. Das Schicksal des 46-jährigen Mannes ist damit besiegelt: Das Gefängnis wird er kaum wieder verlassen.

Der Fall hatte Wellen geschlagen, weil es K. nach seiner Haftentlassung im Februar 2007 trotz Polizeiaufsicht gelungen war, sich wieder Kindern zu nähern. Auch die Auflagen, Spielplätze zu meiden und keinen Kontakt zu minderjährigen Mädchen zu knüpfen, waren mehrfach verschärft worden. Die Mütter seiner späteren Opfer waren zudem von der Polizei gewarnt worden.

Trotzdem hat K. nach Überzeugung des Gerichts in seiner Wohnung in Spandau zwei Mädchen im Alter von zehn und elf Jahren vergewaltigt und missbraucht und eine 18-Jährige sexuell genötigt. Wegen ähnlicher Taten war K. - der einer Familie mit zehn Kindern entstammt und seine Kindheit als "Hölle auf Erden" beschrieb - vom Landgericht Potsdam 1998 verurteilt worden. Damals wie heute habe K. die Taten bestritten, sagte der Vorsitzende Richter Uwe Nötzel am Montag bei der Urteilsverkündung. In elf Jahren Haft habe K. keine Anstalten zu einer Therapie gemacht. Auch während des neuen Prozesses habe er gezeigt, dass er nicht gewillt sei, sich mit seinen Taten auseinanderzusetzen. Deshalb "gibt es auch keine Hoffnung", dass er sich in Zukunft in Behandlung begeben werde. Das mache ihn "gefährlich für die Allgemeinheit" und rechtfertige die Verhängung von Sicherungsverwahrung. Diese muss K. antreten, nachdem er die zehn Jahre Haft verbüßt hat. Die sogenannte Haft nach der Haft zur Vorbeugung wird alle zwei Jahre überprüft, ist aber unbefristet.

Das Urteil über K. kommt just zu einer Zeit, in der über die Sicherungsverwahrung generell diskutiert wird. Anlass ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), wonach die rückwirkende Verlängerung der Sicherungsverwahrung gegen die Menschenrechtskonvention verstößt. Bundesweit hat das zur Folge, dass viele Täter, die vor 1998 zur Sicherungsverwahrung verurteilt wurden, in Kürze freikommen. Um die Freilassung zu verhindern, hat das Bundeskabinett im Eilverfahren ein neues Gesetz auf den Weg gebracht. Strafverteidigerverbände und Justizminister von SPD und Grünen halten den Entwurf für unausgegoren und wenig praktikabel.

Studien von Strafrechtsexperten besagen, dass nur 5 bis 10 Prozent der Sicherungsverwahrten wirklich gefährlich seien. Deshalb hat der Leiter der Haftanstalt Tegel, Ralph Adam, in der taz die Frage aufgeworfen: "Kann sich ein Rechtsstaat leisten, 30 Leute nicht freizulassen, weil 3 von ihnen gefährlich sein können?" Ist die Sicherungsverwahrung also auch im Falle Uwe K. eine übertriebene Maßnahme?

Rechtsanwältin Christina Clemm hat im Prozess gegen K. eines der vergewaltigen Mädchen vertreten. Sie sei eigentlich keine Befürworterin von Sicherungsverwahrung, betont Clemm. Aber der Fall K. zeige die Grenzen dessen auf, was die Gesellschaft zur Verhütung von Straftaten leisten könne. K. war von der Polizei observiert worden, allerdings nicht rund um die Uhr. Eine Dauerobservation ist rechtlich problematisch, zudem hat die Polizei nicht die entsprechenden Kapazitäten.

Hat also die Polizei versagt? Die Beamten warnten die Anwohner vor K. Das wurde weitgehend ignoriert. Der Angeklagte habe, so Richter Nötzel, "in geschickter Weise" in seinem Wohnumfeld - einem sozial benachteiligten, kinderreichen Milieu - Kontakte geknüpft. "Er trat nicht als Monster auf. Er kümmerte sich um die Kinder." Dem Nachwuchs habe in der Regel der Vater gefehlt. Die Mütter, zumeist alleinerziehend, seien froh gewesen, "das Kind mal abgeben zu können". Eine Polizistin sprach als Zeugin von einem "Spinnennetz", in dessen Mitte K. nach einigen Monaten gesessen habe.

Teils unter Bedrohung mit einem Messer hatte der Angeklagte die zwei Mädchen zum Oralverkehr gezwungen. K. sei nicht pädophil, so der Richter. Er lebe seine sexuellen Neigungen aber bevorzugt an kindlichen, ihm unterlegenen Menschen aus. So gebe es in diesem Fall zur Sicherungsverwahrung offenbar "keine Alternative", erklärt Anwältin Clemm, um die Gesellschaft vor einem Täter wie K. zu schützen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.