Ausgeben: Leichter gesagt als gestrichen

Heute beginnt die Sparklausur des schwarz-grünen Senats. Es soll die größte Streichorgie in der Geschichte Hamburgs werden. Doch so einfach ist das nicht.

Er muss sparen: Hamburgs Finanzsenator Carsten Frigge in der Finanzbehörde. Bild: dpa

Es klang wie eine Drohung. "Hamburg steht vor dem größten und anspruchsvollsten Sparprogramm in der Geschichte dieser Stadt", sagte der neue CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus am Freitag beim Lunch im Hotel Steigenberger vor dem Wirtschaftsrat seiner Partei. "Sehr konkrete Kürzungen" würden auf der dreitägigen Sparklausur des schwarz-grünen Senats beschlossen werde, die vom heutigen Montag bis Mittwoch im Rathaus stattfindet. "Und zwar von morgens 8 bis abends 23 Uhr, wenn es sein muss", stellte Ahlhaus klar - und bei Lachsroulade an Spinat applaudierten die rund 300 christdemokratischen Unternehmer freundlich.

Er sei entschlossen, "den unbequemen, aber ehrlichen Weg zu gehen", so Ahlhaus. "Strukturell, und das heißt Jahr für Jahr", müssten mehr als eine halbe Milliarde Euro eingespart werden. "An diesem Volumen geht kein Weg vorbei."

Wohl doch. Aus Senatskreisen ist zu hören, dass eine Sparsumme von 350 Millionen "schon ein Erfolg" wäre. Die vorgegebenen Sparziele seien auf einen Schlag nicht zu erbringen.

Hamburg hat erstens jahrelang über seine Verhältnisse gelebt und zweitens sinkende Steuereinnahmen. Deshalb muss drastisch gespart werden, zudem müssen bis 2013 zusätzliche Einnahmen von 7,7 Milliarden Euro erzielt werden. Das soll so gehen:

Der Doppelhaushalt 2009 / 2010 beträgt jeweils rund 10,7 Milliarden Euro. Für 2009 wurden 1,7 Mrd. und für 2010 weitere 1,8 Mrd. Euro neue Schulden gemacht.

Der Doppelhaushalt 2011 / 2012 soll auf jeweils 10,9 Milliarden Euro leicht erhöht werden.

Die Neuverschuldung soll von 2011 bis 2013 jährlich bei rund 900 Millionen Euro liegen.

Rücklagen von 1,7 Milliarden Euro sollen aufgelöst werden.

Den halben Betrag hatte Bürgermeister Ole von Beust (CDU) schon im Juni vorgerechnet. 100 Millionen Euro sollen durch Einsparungen beim Weihnachtsgeld für Beamte erbracht werden, 50 Millionen durch Zusatzzahlungen der städtischen Betriebe und weitere 100 Millionen durch Kürzungen in der Verwaltung. Letztere aber wird es so nicht geben. Zu sehr hat Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) vor allem bei den Bezirken auf Granit gebissen, als dass diese Summe nur annähernd zu erreichen wäre.

Also muss das Geld woanders herkommen, und auch das ist leichter gesagt als tatsächlich gestrichen. Von den rund 260 Millionen Euro, welche die SenatorInnen in der Haushaltsklausur auf den Tisch legen sollen, sind die bisherigen Entwürfe deutlich entfernt - in dieser Behörde mehr, in jener weniger. Klar ist, dass kein Behördenchef freiwillig gibt. So werden denn auch konkrete Sparvorhaben nicht bestätigt, von Vorschlägen ist meist die Rede.

Erst vorige Woche lieferten sich die Bezirke einen bizarren Schaukampf mit der Finanzbehörde. Eine Streichliste sah 17 Kürzungsvorschläge im Sozialbereich vor, aber niemand wollte sie auf die Liste gesetzt haben. Elternschulen, Kinder- und Seniorenberatungen, ein paar Jugendeinrichtungen, der schulärztliche Dienst - sofort war die Empörung groß.

Letztlich haben wohl ein oder zwei pfiffige Bezirksamtsleiter eben die Projekte demonstrativ zum Opfertisch getragen, die sie retten wollten. Am Ende einer dreitägigen Sparklausur ist die Gefahr allerdings groß, dass müde und genervte Senatoren sich achselzuckend in ihr Schicksal fügen. Der vorläufige Effekt: Die Bezirke müssen wohl nur zehn Millionen einsparen statt ursprünglich 13 Millionen - angesichts des Halbmilliardenlochs sind beide Summen zu vernachlässigen.

Wenn am Mittwoch oder auch erst am Donnerstag Bürgermeister Ahlhaus und Finanzsenator Frigge die Liste der Grausamkeiten verkünden, werden sie auch auf das hinweisen, was nicht weggespart wird. Lehrer und Polizisten, Stadtbahn, Elbphilharmonie und Hafenausbau - auch dort, wo es keine Tabus geben soll, gibt es Prioritäten.

Und sie werden einräumen, dass sie den Betrag von mehr als 500 Millionen Euro letztendlich etwas lässiger interpretieren, als im Vorfeld behauptet. Man werde, so die Lösung, "aufwachsend optimistisch sparen" - was bedeutet, dass ein heutiger Euro übermorgen ja schon mit 1,10 Euro zu Buche schlagen dürfte. Und außerdem sei bei der nächsten Steuerschätzung im November mit zusätzlichen Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe zu rechnen. Das ist dann zwar noch immer kein Plus, aber immerhin ein geringeres Minus.

Ist ja auch schon was.

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