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UN-MilleniumsgipfelDeutschland spart Entwicklungshilfe

Das einzige Ergebnis von New York: Die Millenniumsziele zur Verringerung der globalen Armut bleiben unerreichbar.

Die Devise für Merkels Rede auf dem Milleniumsgipfel: Immer schön vage bleiben! Bild: rtr

Die vor zehn Jahren von allen 192 UNO-Staaten verbindlich vereinbarten Millenniumsziele zur Verringerung der globalen Armut (MDG) bis 2015 werden nicht erreicht. In der heutigen Abschlusserklärung des dreitägigen New Yorker Gipfels zur "Zwischenbilanz" der MDG werden die Staats- und Regierungschefs von rund 140 UNO-Staaten zwar ihre "Entschlossenheit bekräftigen" zur fristgemäßen Umsetzung der Millenniumsziele. Doch enthält das 31-seitige Schlussdokument keine konkreten Verpflichtungen und insbesondere keine Finanzzusagen, die diese Absicht glaubhaft erscheinen ließen.

Einige reiche Industriestaaten stellten auf dem Gipfel zwar zusätzliche Gelder in Aussicht. So versprach EU-Kommissionspräsident José Barroso eine Milliarde Euro aus dem Europäischen Entwicklungsfonds. Und US-Präsident Barack Obama wird in seiner heutigen Rede zum Abschluss des Gipfels wahrscheinlich einen ähnlichen oder leicht höheren Betrag versprechen. Doch decken die in New York zugesagten Gelder maximal 15 Prozent der Finanzierungslücke, die laut UNO-Generalsekretariat allein für das laufende Jahr über 20 Milliarden US-Dollar beträgt.

Nichtregierungsorganisationen sind aufgrund schlechter Erfahrungen mit der Einhaltung von Finanzzusagen skeptisch, dass es sich bei den versprochenen Summen um frisches Geld handelt und nicht nur um ein Recycling früherer Zusagen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) machte in ihrer Rede am Dienstagabend keine Finanzzusagen. Zudem beschönigten die Kanzlerin und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) bei ihren Auftritten in New York die Ausgaben der Bundesregierung für Entwicklungshilfe und Zusammenarbeit. Anders als von beiden behauptet liegen diese Ausgaben nicht bei 0,4 Prozent des Bruttosozialprodukts, sondern nur bei 0,35 Prozent. Mit den Millenniumszielen hatte sich Deutschland vor zehn Jahren verbindlich verpflichtet, diese Ausgaben bis 2010 auf 0,51 Prozent und bis 2015 auf 0,7 Prozent zu erhöhen.

Stattdessen machte sich Merkel in New York für ein neues Denken in der Entwicklungspolitik stark. "Wir brauchen mehr Ergebnisorientierung", sagte Merkel. Der Entwicklungsprozess liege in erster Linie in der Verantwortung der Regierungen der Entwicklungsländer. "Sie haben es in der Hand, ob Hilfe effizient erfolgen kann. Deshalb ist Unterstützung guter Regierungsführung genauso wichtig wie Hilfe selbst." Entwicklungshilfe könne "nicht zeitlich unbegrenzt sein".

Merkel und Westerwelle warben zudem in New York um Stimmen für die Wahl Deutschlands in den UNO-Sicherheitsrat. Diesem Ziel dienten bilaterale Treffen mit Staats-und Regierungschefs aus Asien, Afrika und Amerika, ein Empfang in der deutschen UNO-Botschaft sowie eine von Merkel moderierte Podiumsdiskussion über die von ihr propagierte "ergebnisorientierte Entwicklungshilfe". Bei dieser Diskussion mit Äthiopiens Präsident Meles Zenawi, Weltbankpräsident Robert Zoellick und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) wurden die Widersprüche der Entwicklungspolitik Deutschlands und anderer Industriestaaten deutlich. Zenawi beklagte sich, dass die Weltbank sein Land kritisiere, weil es den Finanzsektor nicht ausreichend liberalisiere. "Kann man da nicht etwas machen", fragte Merkel Weltbankpräsident Zoellick. Die Weltbank handele doch "unter dem Druck der Geberländer wie Deutschland", antwortete Zoellick. Und gerichtet an Niebel erklärte der Weltbankpräsident: "Es ist immer gut zu wissen, was in Ihrem eigenen Ministerium passiert." Schnell wechselte Bundeskanzlerin Merkel das Thema.

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11 Kommentare

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  • E
    Energiesparlampe

    Liebe Taz Redaktion,

     

    Der letzte Absatz diese Artikels lässt mich aufhorchen.

    Wäre es für euch möglich einen Artikel zu veröffentlichen der sich mit den Aspekten der Vergabe von Entwicklungshilfegeldern in direktem Zusammenhang mit der Liberalisierung von Wirtschafts- bzw. Kapitalsektoren der Länder befasst.

     

    So Beispielsweise:

    Land A bekam nach zusagen 100 Mio. Dollar Entwicklungshilfe nach 5 Monaten wurden per Gesetzte die Liberalisierung (Privatisierung) der Wasserwirtschaft ermöglicht.

     

    Unter dieser etwas anderen Sicht bekommt die von Frau Dr. Merkel propagierte "ergebnisorientierte Entwicklungshilfe" einen Beigeschmack der etwas anderen Sorte.

     

    Das würde erklären wieso die aktuellen Zusagen für Entwicklungshilfe nach der Finanzkriese nicht eingehalten werden da die Finanzspezialisten der Entwicklungsländer wahrscheinlich bereits realisiert haben das die an Entwicklungshilfe gekoppelten ausländischen Investoren nicht die Heilsbringer sind als die sei Deklariert werden.

     

    Irgendwie erinnert mich das an den Gammelfleischskandal ....... Als Entwicklungshilfe neu verpackt schmeckt das Zeug einfach super. Das Bauchweh kommt meist erst später.

  • V
    vic

    Merkels neues Denken, ihre Ergebnisorientierung, heißt nichts anderes als das die Ärmsten selbst schuld sind, wenn ihnen niemand hilft.

    Wenn sie kein Brot haben, sollen sie eben Kuchen fressen.

    Vollgefressen über Hungernde zu entscheiden, muss für manche Menschen angenehm sein.

  • UF
    Ullrich F.J. Mies

    Die penetrante Verlogenheit dieser Regierung ist nicht zu toppen:

    Merkel möchte eine "ergebnisorientierte Entwicklungpolitik".

     

    Die hat sie schon längst: Zum Beispiel in Form erpresster EPA's (European Partnership Agreements), die den "Partnern" zum Teil aufgeherrscht werden, damit sie "ihre Märkte öffnen". Für Produkte aus den hoch industrialisierten Ländern Europas, versteht sich, die dann die einheimischen Anbieter auf den lokalen Märkten verdrängen und vor Ort für die Entwicklung des Elends sorgen.

     

    Diese Regierung ist bestenfalls als organisierte Peinlichkeitsveranstaltung zu bezeichnen.

  • V
    vic

    Die Milleniumsziele (was für ein Name!) sind nicht unerreichbar, es hat nur niemand Interesse daran, sie zu erreichen.

    Wo der natürlich Feind der Armutsbekämpfung, auch bekannt als Niebel, mitreisen darf, ist diese ohnehin zum Scheitern verurteilt.

  • JH
    Johann Hirsch

    Wir müssen als Deutsche Bundesregierung unsere Aufgaben für die Interessen der oberen Einkommensschichten zu sorgen sehr ernst nehmen, auch unsere Verpflichtungen im Kampf gegen den Terrorismus kosten enorm viel.

  • P
    Philip

    Die Entwicklungshilfe, so wie sie in ihrer jetztigen Form seit Jahrzehnten existiert, ist gescheitert. Sie macht die Leute in den entspr. Ländern zu Empfängern von Almosen, die auch noch erniedrigend darum bitten müssen.

     

    Wo sind die wirklich innovativen Ideen in dem Bereich? Zumindest nicht bei denen, die Wohlfahrt auf die Stirn geschrieben haben, genauso wenig bei denen, die hoffen, dass es so wär. Ich hoffe, dass es in Zukunft mehr Freiwilligenprojekte gibt, wo etwa Ingenieure inländische Arbeiter dabei unterstützen selber zu lernen Bauprojekte zu starten und instandzuhalten. Bei diesen Projekten machen nicht die Europäer die Hauptarbeit, sondern die Einheimischen.

     

    Ich finde es jedenfalls unglaublich, dass die taz, die sich als Heilsbringer-Zeitung verkauft lieber Merkel schlechtmacht und suggeriert mehr in dieses Almosenprojekt zu investieren, dass die Entwicklungsländer zu globalen Pennern machen soll.

  • H
    Hanzo

    Servus,

     

    Hand aufs Herz, wer hat das schon erwartet?

    Es werden lieber mehr als 500 Milliarden US-$ für einen (Irak)krieg ausgegeben, für einen Krieg der nur teilweise was gebracht hat.

     

    Den Krieg gegen Hunger, Armut und Bildungsmangel wird aber noch lange bestehen bleiben... bis irgendwann mal eine neue Generation von Politikern in die Welt kommt....und diese Welt wirklich besser machen möchte...

     

    mfg,

     

    Hanzo

  • RM
    Regine Metes

    Wie relativ doch Zahlen sind.

    Frau Merkel setzt sich dafür ein, daß ein Prestigeobjekt von Bahnhof in Stuttgart entstehen soll, das 11 Milliarden kosten kann.

    Die Industrieländer schaffen es nicht, alle zusammen eine Finanzierunglücke der UNO von 20 Milliarden zu finanzieren.

    Bei gutem Willem würde man die Entwicklungsländer dazu verpflichten, genau darzulegen, was mit den Geldern geschieht (dies ist der Anspruch, den die Geber-Länder stellen müssen).

    So drüberhinweg zu argumentieren: die Gelder kommen ja doch nicht da an, wo sie sollen, ist eine faule Ausrede, nicht zahlen zu wollen.

  • S
    Sven

    Warum schäm ich mich für Merkel und ihre zwei Schranzen... andere gönnerhaft belehren, selber nix zustande bringen und noch die Bühne für Großmachtsphantasien ausnutzen... PFUI!!!

  • D
    DanielC

    Wenn es nicht so ernst wäre, könnte man schon fast drüber lachen, erst Weltverbesserer spielen und dann nicht ein gesetztes Ziel erreichen.

    Und nun stellt sich unsre Kanzlerin hin und wandelt das alte "schlag-mich-tot" Argument - wenn die in Afrika so arbeiten würden wie wir -in fadenscheinige Eloqenz um und schon baden wir wieder in unsrem selbstgerechten Siff.

    Das westliche Firmen in dieser politischen Unordnung in diesen Ländern gut ihren Schnitt machen und so diese Instabilität wohl eher geduldet als gehasst ist, dürfte an guter Lobbyarbeit liegen.

     

    Und hier haben wir nichts anderes zu tun, als offetsichtlich inkompetenten Mitarbeitern der HRE Millionen hinterher zu schmeißen, da man solch gute Angestellte unbedingt halten muss-- na dann Gute Nacht.

     

    P.S. bzw. vlt. ist das Verantwortungsvolles handeln seitens Finanzministeriums, so hat man wenigstens die anscheinend größten Luschen in einem Korb^^

  • S
    Steffen

    Das Geld ist in Deutschland besser aufgehoben! Fragt doch mal die Hartzis wie die das finden wenn anstatt für sie das Geld für irgendwelche Entwicklungsländer ausgegeben wird. Aber der deutsche Michel schluckt das ja lieber anstatt gegen solche unnützen Ausgaben auf die Straße zu gehen...