Kommentar neuer Labour-Chef: Parteichef der Herzen
Ed Miliband hatte es erfolgreich auf die Herzen seiner Labour-Kollegen abgesehen. Die Startbedingungen für ihn sind zunächst günstig.
M it ihrem neuen Parteichef Ed Miliband kann sich die britische Labour Party endlich der Oppositionspolitik widmen. Die lag seit der verheerenden Wahlniederlage im Mai und Gordon Browns Rücktritt als Parteichef praktisch brach. Die Koalitionsregierung aus Tories und Liberalen Demokraten hatte eine relativ ruhige Zeit seit ihrem Amtsantritt.
Ed Miliband war der Wunschkandidat von Premier David Cameron, der ihm den Spitznamen "roter Ed" verpasst hat. Weil er nicht von den Labour-Abgeordneten und Parteimitgliedern, sondern von den Gewerkschaften gewählt wurde, könnte man meinen, Ed Miliband stünde weiter links als sein Bruder David. In Wirklichkeit gibt es zwischen beiden nur geringe politische Unterschiede. Ed Milibands Kritik an den Auswüchsen des Kapitalismus waren taktischer Natur. Er hatte es auf die Herzen seiner Labour-Kollegen abgesehen, sein Bruder sprach eher die Köpfe an.
David Miliband verlor auch deshalb, weil er schon zu lange dabei ist: Er war länger als sein Bruder im Kabinett, arbeitete eng mit Tony Blair zusammen und galt als Kandidat der Kontinuität. Ed Miliband ist dagegen erst seit fünf Jahren Abgeordneter und praktisch der Einzige in der Labour-Spitze, der unbeschadet aus den Grabenkämpfen zwischen Blairs und Browns Lagern hervorging.
RALF SOTSCHECK ist Großbritannien-Korrespondent der taz.
Die Startbedingungen für Ed Miliband sind zunächst günstig. Die Regierung ist bei Umfragen stark abgesackt, die tiefen Einschnitte bei den Staatsausgaben stehen erst noch bevor. Doch Umfragen sind trügerisch. Margaret Thatcher war bereits kurz nach ihrer Wahl 1979 laut Umfragen äußerst unbeliebt, wurde aber 1983 und 1987 wiedergewählt. Wenn Ed Miliband dem rigorosen Sparkurs der Regierung keine plausible Alternative entgegensetzen kann, könnte Cameron es Thatcher gleichtun.
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