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Jugenddrama auf muslimischSchwanger, schwul und gläubig

Burhan Qurbanis Debütfilm "Shahada" inszeniert die inneren Konflikte von drei jungen Muslimen. Am Donnerstag kommt er in die Kinos.

Seine Welt wankt: Der junge Polizist Ismail aus Qurbanis Film. Bild: dpa

Alle, die schon immer gewusst haben, dass Muslime ganz andere und natürlich auch ganz eigenartige Wesen sind, dürften ihre Freude an dem Debütfilm von Burhan Qurbanis haben. "Shahada" zeigt drei junge Berliner Nichtchristen in verschiedenen Problemlagen: Maryam hat gerade illegal abgetrieben, Samir kämpft gegen sein Schwulsein an, Ismail, der Polizist, gerät in Solidaritätskonflikte, wenn er Illegale hopsnimmt. Und dann wäre da auch noch der Imam, um dessen Gemeinde herum die Geschichten von Schuld und Besinnung gruppiert werden - und dem es so gar nicht gelingt, den jungen Leuten bei ihren Identitätskonflikten zu helfen.

Fangen wir bei Maryam an: Die Schülerin ist schlau, sie ist dreckscool, und sie ist ungewollt schwanger geworden, ihr Freund ist ein Idiot. Das passiert vielen Mädchen. Maryam entschließt sich zum Schwangerschaftsabbruch. In Berlin muss das nicht das Ende der Welt sein, denn wie wir alle wissen, ist Abtreibung in den ersten drei Monaten möglich, ohne dass Ärzte oder Krankenhäuser eine zusätzliche Belastung für die betroffenen Frauen darstellen würden. Im Film aber darf Maryam nicht den normalen, urbanen Weg gehen, sondern muss sich den Fötus auf mittelalterliche Weise wegpfuschen lassen, um dann dramatisch viel Blut zu verlieren. Nun lässt sich einwenden, dass Fiktion sich schließlich nicht an der Realität messen lassen muss. Richtig. Aber erhebt ein Regisseur den Anspruch, Gegenwart und Alltag abzubilden, und das tut Qurbanis, dann ist es schlicht unglaubwürdig, warum es Maryam so schwerfallen soll, ein Krankenhaus aufzusuchen und den Eingriff heimlich vornehmen zu lassen.

Erklärbar ist diese Figurenzeichnung nur, wenn man auf Teufel komm raus will, dass klassische Jugenddramen wie Abtreibung oder Coming-out für muslimische Berliner etwas ganz anderes sein sollen als für nichtmuslimische GroßstadtbewohnerInnen. Und zwar ohne dass sie von ihren Familien massiv unter Druck gesetzt würden. Qurbanis bedient nicht das Stereotyp von der Türkin, die zum Opfer ihrer halsstarrigen Verwandten wird. Er will vielmehr den inneren Konflikt der Muslime zeigen, wenn sie gesündigt haben - und begeht dabei einen großen Fehler. So behauptet er einfach, dass sämtliche Emanzipationsbewegungen an Berliner Muslimen vorbeigingen. Zwar machen sie nach außen hin einen aufgeweckten Eindruck, sind perfekt zweisprachig, sehen gut aus und bewegen sich geschmeidig in der Clubszene - aber in ihrem tiefen Inneren leben sich noch im frühen 20. Jahrhundert und haben folgerichtig noch nie etwas von Hospitälern oder Lesben- und Schwulenszenen gehört, in denen sich auch Muslime finden. Wie albern.

Der Film

Kinostart am 30.09.2010: "Shahada". Regie: Burhan Qurbani. Mit Maryam Zaree, Carlo Ljubek u.a., D 2010, 95 Min.

Auch dem Polizisten wird so ein künstlicher Konflikt angedichtet: Weil er Türke ist, soll er eine besondere Beziehung zu illegalen Migranten haben. Das mag ja sein, aber dann muss man auch erzählen, wo diese Verbindungen herrühren, statt sie einfach vorauszusetzen, ganz nach dem Motto: Wer Türke ist, hat per se eine innere Relation zu Menschen mit abgelaufenen Pässen. Das ist ungewollter Rassismus.

Und dieser ist doppelt ärgerlich, weil der Film handwerklich ansonsten durchaus etwas zu bieten hat: Die Dialoge stimmen, die Schauspieler sind sehr gut, die Kamera produziert elegante Mainstreambilder. Doch all diese Qualitäten werden untergraben von der Ideologie, dass Muslime qua Kultur und qua Glauben in einer Parallelwelt leben - ohne Exit-Option.

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4 Kommentare

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  • D
    DL-Freund

    Diese Kritik ist hanebüchend. Es stellt sich die Frage, ob die Autorin den Film nicht gesehen hat oder einfachste Handlungszusammenhänge nicht versteht. Eine Begründung erübrigt sich!glas

  • S
    Superwurst

    Schon die zusammenfassende Einleitung lässt massive Zweifel daran aufkommen, dass die Autorin den Film gesehen hat. Die darauffolgenden Ausführungen verhärten diesen Verdacht nur. So steht die Illegalität der Abtreibung zu keinem Zeitpunkt im Vordergrund, sondern das Bedürfnis Maryams, die Abtreibung geheim zu halten, vor ihrem Freund und ihrem Vater, aber auch und vielmehr vor sich selbst; sie hofft, das Kind möge einfach verschwinden. Deswegen wählt sie den unangenehmen, heimlicheren Weg, eine nachvollziehbare Entscheidung.

    Sammi ist falsch abgeschrieben, obwohl sein Name als Überschrift eingeblendet wird, aber das wollen wir nochmal durchgehen lassen.

    Ismail kriegt nicht (wie beschrieben) ein schlechtes Gewissen, weil er illegale hopsnimmt, sondern weil er der Frau gegenübersitzt, deren Kind er im Einsatz erschoss. Auch wieder nachvollziehbar.

    Allgemein wirft die Autorin dem Film bzw dem Regisseur vor, es würden die falschen Auswege gezeigt, andere Lösungen seien viel greifbarer. Dass man im realen Leben, ganz unabhängig von der jeweiligen Ausprägung des eigenen Wertesystems, immer wieder in Konflikte mit ebendiesem geraten kann, die die nahelegendste Lösung als Option gar nicht erst in Betracht kommen lassen, scheint der Autorin fremd zu sein. Wenn jemand seine sexuelle Orientierung nicht akzeptieren kann, dann ist der Verweis darauf, das andere es doch auch können, zwar nett, aber irgendwie wenig hilfreich. Ist die Lösung "Lass es doch einfach"?

    Zudem scheint es heutztage, wenn man Kritiken wie diesen Glauben schenken darf, im Kino zuallererst und ausschließlich darum zu gehen, entweder bestimmte Idealtypen oder für die Allgemeinheit einer bestimmten Gruppe repräsentative Figuren darzustellen. Das halte ich nicht nur für höchst zweifelhaft, sondern auch für extrem gefährlich. Denn die scheinbare Repräsentativität (an Idealen oder Statisttiken) erschafft nichts Lebendiges, nichts, was in der Realität eine Entsprechung hätte. Es zwingt die Drehbuchautoren nur in ein hässliches Korsett der eingeengten Sichtweisen und beraubt das Kino somit der Möglichkeit, über den Tellerrand zu schauen.

    Der Film hingegen scheint zu keinem Zeitpunkt allgemeine Aussagen treffen zu wollen, sondern Einzelschicksale von bestimmten Individuen abzubilden, die - so sehr sie filmisch überspitzt sind - durchaus auf ganz eigene, nachvollziehbare Art damit umgehen und somit den Zuschauer ihre Konflikte miterleben lassen. Das ist Kunst, so soll es sein.

    Vielleich, liebe Frau Kappert, schauen Sie sich den Film einfach mal an, dann wissen Sie, was ich meine.

  • C
    cineastin

    Zitat: "Weil er Türke ist, soll er eine besondere Beziehung zu illegalen Migranten haben. Das mag ja sein, aber dann muss man auch erzählen, wo diese Verbindungen herrühren, statt sie einfach vorauszusetzen, ganz nach dem Motto: Wer Türke ist, hat per se eine innere Relation zu Menschen mit abgelaufenen Pässen. Das ist ungewollter Rassismus."

     

    Wer Nicht-Christ, Nicht-Weiß, Nicht-Hetero ist oder aus anderen Gründen nicht zur angeblich durchschnittsdeutschen Bevölkerungsgruppe gehört (deutsch, weiß, christ, hetero, total pc und natürlich nicht rassistisch), hat zumindest gute Vorraussetzungen, eine innere Relation zu Menschen zu haben, die ebenfalls nicht dazu gehören - vorausgesetzt, mit der Empathie stimmt alles.

     

    Und genau bei diesem Stichwort kommt die Autorin dieses Beitrags ins Spiel. Sich in Andere hineinzufühlen, scheint ihr fremd zu sein.

    Aber dafür hat sie offensichtlich die Interpretationshoheit für sich gepachtet, sie weiß genau, wie der Türke/Moslem so ist und denkt.

    Und macht so einer einen Film, in dem die Anderen nicht so sind/handeln/denken wie die Autorin das will, dann ist der Film halt rassistisch...

     

    Bitte nicht falsch verstehen. Kritik üben ist immer gut.

    Das gilt für alle Medien.

    Allerdings sollte man Fragen stellen, wenn man etwas nicht versteht.

    Einfach alles verreißen und für schlecht befinden, ohne sich dem Themenkosmos auch empathisch zu nähern, ist meiner Meinung nach ein sehr schlechter Stil.

  • SB
    Sabine Bauer

    Hier auch noch ein paar interessante Gedanken zum Verhältnis westlicher Kultur und Islam:

    http://bit.ly/ayUtJP