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Debatte G-20-Treffen in SüdkoreaDas Währungschaos

Kommentar von Stephan Schulmeister

Das G-20-Treffen der Finanzminister in Südkorea steht bevor. Doch die Eliten wollen die wirklichen Probleme nicht angehen. So können die Hauptdefekte nicht abgestellt werden.

Seit 1984 übersteigt die Kreditaufnahme der USA den Zinsendienst für ihre Auslandsschuld. : dapd

W ährend der Jahrestagung von Weltbank und Währungsfonds bereite den Eliten die Gefahr eines kommenden Währungskriegs große Sorgen. Auf friedenssichernde Maßnahmen konnte man sich nicht einigen. Kein Wunder: So wird im Wesentlichen nur das Leistungsbilanzdefizit der USA und die Überschüsse von Ländern wie China, Japan oder Deutschland problematisiert. In der Folge wird von den "Regulierern" der Wechselkurse, insbesondere von China, gefordert, seine Währung dem freien Spiel des Marktes zu überantworten.

Solche Maßnahmen berühren die Hauptdefekte des Weltwährungssystems nicht. Diese haben nämlich ihre Ursache in der Doppelrolle des Dollars als nationale Währung der USA und als (Ersatz-)Weltwährung. Alle globalen Turbulenzen der letzten 40 Jahre sind direkt mit dieser Doppelrolle verknüpft.

Drei Funktionen sind charakteristisch für den Dollar als globale "key currency": Alle Rohstoffe notieren in Dollar, erstens. Zweitens: Die meisten internationalen Forderungen/Verbindlichkeiten werden in Dollar gehalten. Der Dollar fungiert als "vehicle currency" im Devisenhandel ("Zentraljeton"). Als nationale Währung - das zum dritten - sind Zinssatz und Wechselkurs des Dollars wichtige Faktoren der Wirtschaftsentwicklung in den USA, sie werden daher in hohem Maß von ihrer Politik beeinflusst.

Die Konflikte zwischen den "national-ökonomischen" Interessen der USA und den "global-ökonomischen" Interessen des Gesamtsystems an einer stabilen Weltwährung prägten die Wirtschaftsentwicklung seit Anfang der 1970er Jahre. Nachdem die USA 1971 das System fester Wechselkurse aufgekündigt hatten (aus nationalem Interesse), verlor der Dollar 25 Prozent an Wert. Dadurch wurden jene Länder massiv benachteiligt, die nur über ein einziges Exportgut verfügten, das in Dollar notiert: die Erdölexporteure. Sie "revanchierten" sich 1973 mit dem Ölpreisschock, welcher die erste weltweite Rezession auslöste.

Drei Jahre später wiederholte sich diese Sequenz: Als Folge einer Niedrigzinspolitik zur Stimulierung der US-Wirtschaft sank der Dollar neuerlich um 25 Prozent, 1979 erfolgte der zweite Ölpreisschock, der wieder eine Rezession nach sich zog.

Der Autor

Stephan Schulmeister ist Wirtschaftsforscher in Wien. Zuletzt kritisierte er an dieser

Stelle die EU-Politik in Sachen Finanzmarktregulierung: "Die Staatsheuschrecken".

Die Rezession 1980/82 war besonders hartnäckig, weil die US-Notenbank einen Kurswechsel zu einer extremen Hochzinspolitik vollzog mit dem "nationalökonomischen" Ziel, die US-Inflation zu brechen - sie war durch die Ölpreisschocks enorm angestiegen. Die hohen Zinsen trugen wiederum wesentlich zur exorbitanten Dollaraufwertung zwischen 1980 und 1985 bei. Damit wurde die gesamte Auslandsschuld der Entwicklungsländer (insbesondere in Lateinamerika) drastisch ausgewertet. 1982 brach die internationale Schuldenkrise aus.

Das nationale Interesse der USA

In den 1990er Jahren ergab sich eine ähnliche Entwicklung, diesmal in Ostasien. Die "Tigerstaaten" hatten ihren Boom teilweise durch Auslandskredite in Dollar finanziert, als der Dollarkurs 1995 zu steigen begann (Folge der US-Geldpolitik). Dadurch wurden die Dollarschulden aufgewertet, 1997 brach die Schuldenkrise der "Tiger" aus.

Die Doppelrolle des Dollars ist auch hauptverantwortlich für die gigantische Auslandsverschuldung der USA. Dadurch können die USA als einziges Land Kredite in eigener Währung aufnehmen, also unbeschränkt mehr Güter importieren als exportieren und als "Gegenleistung" Dollargutschriften ausstellen. Überdies zahlen die USA für ihre Schulden keine Zinsen: Seit 1984 übersteigt die Kreditaufnahme der USA den Zinsendienst für ihre Auslandsschuld, sie verhalten sich wie jener Charles Ponzi, der 1919 in Boston jedem Anleger hohe Zinsen versprach und diese zunächst durch zusätzliche Einlagen "bezahlte" - ehe das Pyramidenspiel zusammenbrach.

Das müssen die USA nicht befürchten. Denn "chronische" Überschussländer wie Deutschland, Japan oder China wollen ja weiterhin mehr Waren in die USA exportieren als importieren, ein echter Zinsendienst ist aber nur möglich, wenn das Gläubigerland ein Defizit und das Schuldnerland einen Überschuss in der Leistungsbilanz erzielt. Die Exportüberschüsse werden sich daher als Geschenke an das Schuldnerland USA entpuppen.

Die hohen Schulden erleichtern es den USA auch, den Dollarkurs zu schwächen, um die eigene Wirtschaft zu stützen: In allen Rezessionen der letzten 25 Jahre gelang dieses "talking the dollar down". Und auch derzeit setzen die USA dieses Mittel erfolgreich ein, obwohl der Dollar schon jetzt gegenüber dem Euro und Yen drastisch unterbewertet ist. Wie sagte der US-Finanzminister John Connally schon in den 1970ern so treffend: "Our currency, your problem."

"Globo" als neue Leitwährung?

Aufgrund der "Doppelrollen-Problematik" hatte Keynes 1944 bei den Verhandlungen in Bretton Woods die Schaffung einer supranationalen Währung ("Bancor") vorgeschlagen, welche aus einem Bündel der wichtigsten nationalen Währungen bestehen sollte. Er konnte sich nicht durchsetzen. Die neue Hegemonialmacht USA wollte - nach dem britischen Pfund - nunmehr ihre Währung als Leitwährung sehen.

Wie könnte eine neue Weltwährung unter heutigen Bedingungen gestaltet sein? Es würde reichen, wenn der "Globo" den Dollar, Euro, Renminbi und Yen umfasste. Die drei Wechselkurse zwischen diesen Währungen sollten innerhalb enger Bandbreiten stabilisiert werden (wie in der EU zwischen 1986 und 1992). Das Niveau der Wechselkurse orientiert sich an der Kaufkraftparität handelbarer Güter und Dienstleistungen (in diesem Fall hat kein Land einen wechselkursbedingten Preisvorteil). Die Währungen der übrigen Länder werden in Relation zum "Globo" stabilisiert.

Da die Eliten die Welt noch immer/schon wieder mit neoliberaler Brille betrachten und daher die systemischen Defekte der herrschenden Währungs(un)ordnung nicht begreifen, kommen zur Sparpolitik im EU-Gleichschritt demnächst auch noch Abwertungswettläufe. Doppeltrost zum Schluss: Beides wird viel milder ausfallen als nach 1930, und eine supranationale Weltwährung wird kommen, dermaleinst.

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