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Jena streitet um Peter PetersenDer edle Rassist

Peter Petersen war ein einflussreicher Reformpädagoge - aber auch Nazi und Antisemit. In Jena streitet man über den Petersenplatz, der bis 1991 noch Karl-Marx-Platz hieß.

"Weil es dem Juden unmöglich wird, unsere Art innerlich mitzuleben so wirkt er in allem, das er angreift, für uns zersetzend, verflachend, ja vergiftend …", schreibt Petersen 1933. Bild: archiv

Jena ist überall. Das verdankt die Stadt in Thüringen dem Erziehungswissenschaftler Peter Petersen. Ob in Nürnberg, Berlin oder Darmstadt - vierzig Schulen, schulpreisgekrönte darunter, verzeichnet die reformpädagogische Jenaplan-Gesellschaft. Einerseits war Petersen Erziehungswissenschaftler, der an der Uni Jena in den 20er Jahren eine moderne, kindgerechte Pädagogik entwickelte. Andererseits war er Rassist und überzeugter Anhänger des NS-Regimes.

"Weil es dem Juden unmöglich wird, unsere Art innerlich mitzuleben so wirkt er in allem, das er angreift, für uns zersetzend, verflachend, ja vergiftend …", schreibt Petersen 1933. Doch zahlreiche Plätze sind nach ihm benannt - auch in Jenas Stadtzentrum. Darf eine Stadt jemanden ehren, der sich so unverblümt antisemitisch geäußert hat? Überwiegen seine Verdienste als Pädagoge? Darüber wird in Jena seit über einem Jahr diskutiert. Anfang November organisierte die Stadt sogar einen Workshop, der Klarheit bringen sollte. Doch diejenigen, die die Debatte angestoßen hatten, erschienen nicht.

Die Petersen-kritischen Wissenschaftler Torsten Schwan und Benjamin Ortmeyer (Uni Frankfurt am Main) sagten ab. Ortmeyer hatte 2009 Material veröffentlicht, das belegt, dass Petersen nicht Mitläufer sondern aktiver Kollaborateur im NS-Regime war. Noch nach Kriegsende beklagte Petersen demnach die "rassische Verunreinigung des deutschen Volkes". Ortmeyer begründete seine Absage damit, dass die Konferenz darauf abziele, dem Pädagogen einen "Persilschein" auszustellen.

"Ich finde Diskussionen klasse - wenn zum Thema diskutiert wird", sagte Ortmeyer der taz. Hier aber versuche die Stadt, Petersens pädagogische Erfolge und sein Engagement für Kinder aus sogenannten Mischehen gegen sein nationalsozialistisches Gedankengut aufzuwiegen. Petersen hatte Kinder mit jüdischen Verwandten an seiner Übungsschule aufgenommen. Löblich, aber: Damit hat Petersen nachweislich kein einziges jüdisches Kind vor der Deportation bewahrt - diese waren gar nicht unter den Schülern. Für Ortmeyer ist die Lage klar: Petersen zu ehren sei angesichts seiner Äußerungen als NS-Propagandist und Rassist unverzeihlich.

Andere sehen das ähnlich. Nachdem Ortmeyer Petersen als Nazi-Ideologen enttarnt hatte, folgte eine Umbenennungswelle. Die Petersen-Schule im hessischen Weiterstadt heißt seit Juli nach der Jüdin Anna Freud, die Petersen-Gesamtschule in Hamburg seit November Irena-Sendler-Schule. Schulleiterin Ute Pape war durch den taz-Artikel auf Ortmeyer aufmerksam geworden und lud ihn zu einer Podiumsdiskussion ein.

"Danach war allen klar, dass wir uns nicht länger Petersen-Schule nennen können", berichtet Pape. "Wir müssen uns mehr Zeit nehmen, um noch mehr Material zu sichten", meint hingegen Jenas Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD). Jena sei in einer besonderen Lage, hier habe Petersen gewirkt. "Ich kann mir auch vorstellen, dass wir den Namen des Platzes belassen und durch eine kritische Tafel ergänzen." Schröter hatte sich 1991 dafür eingesetzt, den damaligen Karl-Marx-Platz nach Petersen zu benennen.

Die Debatte wird nun im Kulturausschuss geführt. Über die Umbenennung des Platzes wollen die Mitglieder frühestens im Jahr 2011 entscheiden.

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13 Kommentare

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  • RJ
    Riga, Josef

    Frage: würden die Jenaer den Platz auch umbenennen wollen, wenn Peters nicht gegen die Juden, sondern gegen Zigeuner gesprochen hätte? wohl kaum. Warum?

  • Q
    Querulant

    Dass es größere und wichtigere Probleme zu lösen gibt ist kein Argument nicht auch über andere Dinge zu diskutieren.

     

    Mit zugewanderten Grüßen...

  • MH
    Max Hoffmann

    @ Anno Nühm:

    "Karl Marx geht halt nicht, weil der ja quasi Stalin, Mao und ähnliche höchstpersönlich dazu aufgefordert hat Millionen Menschen umzubringen."

    Da kennen Sie aber meine Jenaer/Jenenser schlecht. Eine Karl-Marx-Allee haben wir natürlich. Ein Komitee, das den von Ihnen angeführten Zusammenhang zwischen K.M. und den genannten Massenmördern untersucht, jedoch nicht. Honi soit qui mal y pense...

    Im übrigen: vor 1933 hieß der Platz »Wöllnitzer Platz«, ab 1933 »Adolf-Hitler-Platz«, ab 1945 »Karl-Marx-Platz« und ab 1991 »Petersen Platz«. Man kann die Chuzpe der städtischen politischen Klasse Jenas nur bewundern, diesem Spiegelbild des deutschen politischen Opportunismus eine neue Facette hinzufügen zu wollen. Natürlich war bisher jeder Namensgeber (abgesehen vom ersten) die Meinung, er sei im Besitz der absoluten Wahrheit und seine Namensgebung sei für die Ewigkeit.

  • UM
    Ulli Müller

    Die Nazis und ihre "Verdienste"!?

    Selbst der GröFaZ wird ja immer für seinen Tatendrank und aktiven Einsatz bei den Autobahnen über den Klee gelobt!

    Ach Deutschland, du und deine Nazis.

  • W
    Wunderlich

    Edler Rassismus bis heute

     

    Petersens Methodik hält aber zur Zeit flächendeckend Einstand in deutsche Grundschulen.

    Das Ergebnis des Petersenschen jahrgangsübergreifenden Unterrichts ist immer das gleiche und in sämtlichen Schuluntersuchungen messbar:

    Muttersprachlich deutsche Kinder werden gegenüber Nichtmuttersprachlern in diesem System massiv bevorzugt. Das liegt daran, dass die Kinder sich selbstgesteuert entwickeln sollen und das Material mehr Bedeutung einnimmt als der Lehrer, der nur noch als Lernvermittler oder Lernbegleiter auftreten soll. Etwas weniger freundlich ausgedrückt, rühren Kinder bei dieser Unterrichtsform vor allem im eigenen Brei.

    Daher die Bevorteilung der Kinder bildungsnaher Elternhäuser, in denen Eltern als Ersatzlehrer fungieren, und die Benachteilung ausländischer Kinder. Aus gutem Grund laufen Bürgermeister und Bildungsstadtrat von Neukölln Sturm gegen das System.

     

    Hauptpropagandeure Petersenschen gedankengutes sind übrigens die enorm medienaffine von Fabrikantenerbe Brügelmann geleitet Gruppe "Blick über den Zaun" sowie der privatwirtschaftliche (Bosch-Stiftung) "Deutsche Schulpreis".

    Jeder Einwand gegen diese Methodik wird mit Medeinmacht beseitegewischt.

    Allerdings macht man seit wenigen Jahren die Urheberschaft Petersens nicht mehr transparent, denn es ist nicht mehr ganz schick, sich mit dem Namen Peter Petersen zu schmücken oder seine Pädagogik auf ihn zu beziehen.

     

    1997 heißt es bei Brügelmann:

    "Ist Montessori die Meisterin in der Strukturierung von Material, so können wir für die Strukturierung des Unterrichts durch methodische Institutionen viel von Peter Petersen lernen. Seine Urformen der Bildung - Gespräch, Arbeit, Spiel, Feier - bieten ein Repertoire an Bauformen des Unterrichts, die sich in spezifischer Weise ergänzen. In der zeitlichen Rhythmisierung die Woche, z. B. mit Schulfeiern zum Auftakt und Ende der Woche, mit Klassengesprächen am Tagesanfang und -ende, mit Kursen und Arbeitsgemeinschaften wird den SchülerInnen eine Zeitstruktur geboten, die erst den Raum für eine Mitplanung und eigene Verantwortung der Arbeit schafft.

     

    Arbeitsformen lassen sich insofern nicht rein technisch bestimmen. Damit kommen wir zur dritten Dimension der Strukturierung von Offenheit, die auch schon bei Petersen in seiner Ausformung der "Gemeinschaft" anklingt."

     

    Quelle: Hans Brügelmann "Die Öffnung des Unterrichts muß radikaler gedacht, aber klarer strukturiert werden."

  • AG
    Angus Grey

    Wenn Namen wie Denkmale werden, und anregen dass man darüber Nachdenkt, geben wir dem Bedeutung und das ist gut so. Lassen wir Namen einfach verschwinden, wirkt es wie Zensur. Das gilt in diesem Falle bei beiden Namen. Schön wäre die Lösung die Straße in Denkmal str. umzubenennen und eine Plakete mit den ganzen Namenslisten und eine Positionierung hierzu aus heutiger Sicht, was morgen schon Vergangenheit ist anzubringen. Menschen sollten nach Taten beurteilt werden, und ihrer Bedeutung. Es wird aber schwerig werden und die Diskussion darum ist wichtig.

    Denn demnach könnte auch ein Sokrates als wichtiger Vordenker für Herrenmensch, Eugenik und Befürworter von Sklaverei stehen...es ist stets die Frage was die Menschen die im aktuellen Leben stehen aus dem was geblieben ist machen. "Wo viel Licht ist, ist auch Schatten" (Goethe) Und manchmal überwiegt der Schatten und die Arbeit damit bezeugt wie wir dazu stehen.

  • Q
    Querulant

    Dass überhaupt "diskutiert" werden muss, ob man einen offensichtlichen Nazi und Rassisten für seine fachlichen und beruflichen Verdienste derart ehren darf ist doch sehr bezeichnent für das selektive Geschichtsbild in Deutschland...

  • U
    Unverständnis!

    Das hält man doch im Kopf nicht aus! In unserem Land gibt es jede Menge Probleme. Ernsthafte Probleme:

     

    - zerrüttete Staatsfinanzen

    - ein Sozialsystem, das kurz vorm Kollabieren steht

    - das Eurodesaster (Griechenland, Irland etc. pp., der gemeine Steuerzahler versteht, worum es geht)

    - eine völlig aus dem Ruder gelaufene Zuwanderungspolitik

     

    um nur einige zu nennen. Und hier? Hier wird über einen Petersenplatz in Jena debattiert. Alternativ über einen "Aufstand im Bioland" oder den neuesten Potterfilm. Liebe Tazler_Tazlerinnen, habt Ihr denn sonst keine Probleme?

  • G
    georg

    hieß schreibt sich mit ß

  • K
    kommentator

    Auch in der Hauptstadt "schmückt" der Name eines Antisemiten (Franz Mehring) Straßen und Plätze.

  • U
    UrGrossVaterVonGottsMuddah

    Angenommen ich würde schreiben, ich bin stolz kein Deutscher zu sein, Ist das dann nicht im weitesten Sinne rassistisch?

  • F
    FreiherrVonKnebel

    Völlig indiskuskutabel !

    Wer solchen Antisemitismus verbreitet, nach dem sollen keine Orte benannt werden.

    Da könnte man ja gleich eine Joseph-Goebbels-Allee ernennen.

  • AN
    Anno Nühm

    Karl Marx geht halt nicht, weil der ja quasi Stalin, Mao und ähnliche höchstpersönlich dazu aufgefordert hat Millionen Menschen umzubringen. Ich hab's zwar nicht gelesen, bin mir aber sicher, dass es im Kommunistischen Manifest hauptsächlich um die Errichtung von GULags geht.

     

    Peter Petersen, Ernst Moritz Arndt, Friedrich Ludwig Jahn, hingegen waren ja sozusagen patriotische Vordenker und im Kern doch wahre Demokraten, die die ideologisch verblendeten 68er und sonstige Gutmenschen in den Dreck ziehen wollen.

     

    Und, dass die Juden zersetzend wirken und ein guter Deutscher Franzosen hassen muss, ich find, das wird man wohl doch noch sagen dürfen. Das ist ja hier sonst sozusagen Gedankenpolizei und Zensur und so. Wie damals bei Hitler. Deutschenfeindlichkeit und Islamisierung.