betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Mehr als 1.200 KünstlerInnengruppen, 960 Stunden Theater und 57.600 Minuten Festival 390.850 verkaufte Festivaltickets sowie 547.322 Biere, die anschließend auf Partys getrunken worden sind. Man wird schon atemlos, wenn man das Editorial des diesjährigen Programms des Festivals 100° liest. Wie soll das dann erst an den vier Festivaltagen werden, wenn in rasender Folge die Kurzshows der jüngsten Freien Szene über die Bretter von HAU und Sophiensælen gehen – in diesem Jahr zum zehnten Mal. Schon Ausgabe 1 war 2003 ein Riesenerfolg. Inzwischen ist das Festival zur wichtigsten Einstiegsdroge in die Freie Szene geworden: für Künstler und Zuschauer gleichermaßen – ein einziges Theaterbegeisterungslabor. Ein paar Altmeister treten auch auf: Das Helmi und Cora Frost (Donnerstag) die Lovefuckers zum Beispiel (Samstag), die 2010 die große Entdeckung dieses Festivals waren und den Jurypreis gewannen. Oder das Duo vorschlag:hammer (Sonntag). Preise gibt’s natürlich auch. Nicht nur den Jurypreis, sondern auch einen Publikumspreis mit dem schönen Namen „Die goldene Strumpfhose“ für das auffälligste, unvergesslichste und radikalste Kostüm des Festivals. Und sonst? Bitte selbst in die Theaterschlacht stürzen und entdecken, was es zu entdecken gibt! (100° Berlin – Das 10. Lange Wochenende des Freien Theaters 21.–24. 2., alle Infos unter www.hebbel-am-ufer.de oder www.sophiensaele.com)

Entdeckt wird ja momentan viel, darunter auch allerlei Unappetitliches in Fleischkonserven, wo nicht immer draufsteht, was später auch drin ist: Pferd und anderes. Selbst in unseren Dönern, wie man inzwischen weiß, was dem Wort „Pferdekarussell“ völlig neue Dimensionen gibt! Garantiert pferdefleischfrei ist allerdings der Döner in der Theatersoap „Gutes Wedding, schlechtes Wedding“ im Weddinger Prime Time Theater. Denn der ist aus 100 Prozent Pappmaschee! Manchmal hat Simulation eben auch sein Gutes. Wenigstens wird einem davon nicht schlecht. Und ein Jubiläum gibt’s im Prime Time Theater auch: das Dönerjubiläum, wie die 83. Folge der Theaterserie heißt, die seit der vergangenen Woche läuft. (Prime Time Theater: „Dönerjubiläum“, 21. 2., Fr. 22. 2., So. 24. 2., Mo. 25. 2., Di. 26. 2., 20.15 Uhr)

Nicht verpassen sollte man außerdem die Uraufführung von Lothar Trolles Stück „Judit“ in der Schaubude. Zwei Puppenspielerinnen und eine Schauspielerin setzen die neu erzählte, uralte und blutige jüdische Heldinnengeschichte in Szene, und zwar unter der Regie von Wera Herzberg. (Schaubude: „Judi“, ab Sa, 23. 2., 20 Uhr)

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