Wie ticken die Wohlhabenden?: Acht Sorten Reiche
Bei jedem dritten Wohlhabenden in Deutschland legten Erbschaften das Fundament des Vermögens. Viele Reiche glauben, dass jeder im Leben bekommt, was er verdient.
2,5 Millionen Euro Haushaltsvermögen - damit gehören Fritz Landmann, seine Frau und die beiden Söhne zu den Reichen in Deutschland. Landmann besitzt ein abbezahltes Einfamilienhaus im Speckgürtel von Berlin, fährt einen BMW, fliegt öfter nach Bali und lebt vom Konsum her das Leben eines gutgestellten Mittelschichtlers.
Aus finanziellen Gründen müsste er nicht mehr erwerbstätig sein, aber "ich arbeite gerne, obwohl es oft sehr stressig ist", sagt der 58jährige, der als Mitinhaber eines Dienstleistungsunternehmens in der Gesundheitsbranche in eine Marktlücke stieß. Zum Familienvermögen trugen auch Erbschaften bei, darunter zwei Häuser in Süddeutschland, die Landmanns Eltern vor vielen Jahrzehnten günstig erworben hatten und die jetzt zusammen über eine Millionen Euro wert sind. Seine Frau verdient als Ärztin sehr gut und hat auch geerbt.
Dass die beiden laut Statistik zum reichsten Hundertstel der Bevölkerung gehören, ist irgendwie "nicht in meinem Bewusstsein", sagt Landmann, der sich als "aus der Mittelschicht kommend" versteht und in Wirklichkeit anders heißt.
Mit Befindlichkeiten wie der von Landmann beschäftigt sich die jetzt im Verlag für Sozialwissenschaften erschienene Studie "Vermögen in Deutschland". Doch man muss das im Wiesbadener VS Verlag erschienene Buch gegen den Strich lesen, um die Befindlichkeiten der Vermögenden zu erfassen.
Interviewer von TNS Infratest befragten zu der Studie 472 Leute mit einem durchschnittlichen Haushaltsvermögen von 2,5 Millionen Euro. TNS Infratest rekrutierte für die Studie Interviewer, die sonst Erhebungen im Auftrag von Banken machen. Es handelte sich dabei um Interviewer, "die aufgrund ihres äußeren Habitus und aufgrund ihres Selbstverständnisses Zugang zu Personen und Haushalten aus dem oberen Vermögenssektor haben", schreibt TNS Infratest-Sozialexperte Klaus Kortmann. Es klingt so, als müsse man selbst zu den Reichen gehören, um Reiche befragen zu können.
Die reichsten zehn Prozent in Deutschland haben ein Nettovermögen von mindestens 222.295 Euro pro Erwachsenem. Die Hälfte der Bevölkerung besaß ein Vermögen von weniger als 15.288 Euro.
Das reichste Zehntel der Bevölkerung besitzt damit 60 Prozent des Gesamtvermögens in Deutschland, dieser Anteil ist leicht gestiegen. Die untersten 70 Prozent der nach dem Vermögen sortierten Bevölkerung haben einen Anteil am Gesamtvermögen von unter 9 Prozent, dieser Anteil ist geschmolzen. Die Zahlen stammen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, Jahr 2007.
57 Prozent der Befragten in der ViD-Studie gaben an, dass sie vor allem durch eine Erbschaft an ihr Vermögen kamen. Bei 16 Prozent war eine Heirat der Grund, bei 33 Prozent freies Unternehmertum.
Nur gut jeder vierte der Vermögenden in der nicht repräsentativen Studie war eine Frau. Obwohl das Schicksal also sehr oft über Besitzfragen mitentscheidet, stimmten 67,2 Prozent der befragten Vermögenden dem Satz zu, dass "jeder Mensch im Großen und Ganzen das bekommt, was ihm gerechterweise zusteht". Eine innere Dissonanz oder gar Schuldgefühle aufgrund des eigenen Reichtums finden sich bei den meisten Vermögenden nicht.
Die Reichen "gehen stärker als die Mittelschicht davon aus, dass der Verlauf des Lebens und das Gelingen beziehungsweise Misslingen der Biographie stark vom eigenen Handeln abhängt", heißt es in der Studie. Die Vermögenden seien überdurchschnittlich extrovertiert und zeigten sich offen für Neues. Das klingt nach besonders positiven Charaktereigenschaften. Aber man könnte es auch andersherum sehen: Wer ein begnadeter Networker ist, steigt eher auf. Und der Reichtum stärkt möglicherweise das Selbstbild, ein autonomes, handlungsfähiges Individuum zu sein.
Die Vermögenden seien "auffallend häufiger und stärker" gesellschaftlich engagiert als die Durchschnittsbevölkerung, schreiben die Sozialwissenschaftlerinnen Melanie Kramer und Miriam Ströing von der Universität Potsdam in der Studie. Leute, die durch eigene Arbeit zu Reichtum kamen, engagierten sich dabei häufiger als Erben. Allerdings zählt als "gesellschaftliches Engagement" auch die Mitgliedschaft im Rotary Club oder einem Arbeitgeberverband.
Als Spende gilt auch die Zuwendung an Sportvereine oder Parteien. So sind beispielsweise nur 4,5 Prozent der reichen Engagierten in Wohlfahrtsverbänden aktiv, hingegen 21,6 Prozent in Privaten Clubs und 45 Prozent in Sportvereinen.
Die Angehörigen der mittleren Gruppe der Reichen mit einem Haushaltsvermögen von durchschnittlich 2,1 Millionen Euro spendeten im Schnitt 2.780 Euro im Jahr, das sind gut 0,1 Prozent des Vermögens - von übermäßiger Spendenfreude kann also keine Rede sein. Ein großer Teil der Zuwendungen geht an kulturelle und wissenschaftliche Projekte.
Schon frühere Studien bestätigten, dass die Reichen entgegen der Klischees eine heterogene Gruppe sind. Das Heidelberger Forschungsinstitut Sinus Sociovision bildete im Auftrag der Hypovereinsbank aufgrund von Tiefeninterviews verschiedene Typen von Millionären.
In Anlehnung daran kann man auflisten: Es gibt die konservativen Vermögenden aus dem alten städtischen Großbürgertum, die eher diskret, aber teuer konsumieren. Millionäre kommen auch aus dem Kleinbürgertum in ländlichen Regionen, etwa, wenn sie geerbte Handwerksbetriebe erfolgreich ausbauen und immer wieder reinvestieren.
Manche Reiche gehören zu den eher unintellektuellen Selfmade-Aufsteigern aus den Boomphasen der 60er und 70er Jahre, die es beim Konsum durchaus mal krachen lassen. Dann gibt es die liberal-intellektuellen Millionäre, die vor allem das Privileg ihrer persönlichen Freiheit durch den Geldbesitz schätzen. Eine eher junge Gruppe sind die Erben, die vielleicht gerade wegen ihres nicht selbst verdienten Vermögens eine Sehnsucht nach sozialer Anerkennung und deswegen Leistungsbereitschaft mitbringen.
Die Forscher der ViD-Studie formten acht "mentale Typen" aus ihren Befragten, die sich nach den jeweiligen Mischungen aus Kontrollüberzeugungen, Gerechtigkeitskonzepten und gesellschaftlichem Engagement voneinander unterscheiden. Doch die Typen der "Meritokraten", "Gönner" und "Individualisten" bleiben seltsam blass, vielleicht auch deswegen, weil vor allem nach Selbsteinschätzungen gefragt wurde. Innere Dissonanzen zeigten sich in der ViD-Studie nur bei Minderheiten. Eine kleine Gruppe etwa bildeten die " ExzentrikerInnen", darunter fast die Hälfte Frauen.
Sie kamen häufig durch Erbschaft oder Heirat an ihr Vermögen, zweifelten öfter an ihren Fähigkeiten, beteiligten sich häufig an Hilfsaktionen oder gründeten Stiftungen. Sie glaubten nicht, dass "jeder Mensch das bekommt, was ihm gerechterweise zusteht" und äußerten sich "systemkritisch".
Das Klischee der reichen, nicht arbeitenden Ehefrauen wird allerdings durch die Studie entkräftigt: In den vermögenden Haushalten finden sich mehr Frauen, die Vollzeit arbeiten als in der Mittelschicht.
Weniger der Luxuskonsum, sondern die finanzielle Absicherung vor Lebensrisiken sind das entscheidende Privileg, um das weniger betuchte Bürger die Reichen beneiden. Dies zeigte eine Studie der Universität Frankfurt über "Einstellungen zum Reichtum". Auch Landmann sagt, "wenn die private Krankenversicherung abgeschafft wird, dann hätte ich ein Problem." Eine gute Gesundheitsversorgung sei ihm sehr wichtig- also genau das, was eigentlich das Sozialsystem für alle leisten müßte.
Die wichtigste gesellschaftspolitische Frage sprechen auch die Forscher der ViD-Studie nicht an: Wieviel Reiche bringen ihr Geld ins Ausland oder würden dies tun, wenn ihnen hiesige Kapitalsteuern zu hoch sind? Fritz Landmann, der die Grünen wählt, hat sein Geld bei zwei inländischen Banken angelegt. Auch wenn die Steuern für Reiche anzögen, würde er sein Geld nicht ins Ausland schaffen, "da fühlt man sich nicht geschützter" sagt er. Verschwiegenes Geld könnten seine Erben zudem später nicht problemlos wieder nach Deutschland bringen.
Das Vermögen der Landmanns werde wohl größten Teils in die nächste Generation weitergeschoben, schätzt der Millionär. "Den Jungs gegenüber nennen wir keine Summen, damit deren berufliche Motivation nicht erschlafft". Laut deutschem Gesetz können die Landmanns ingesamt 1,6 Millionen Euro erbschaftssteuerfrei an die beiden Söhne vererben. Den Rest könnte man vorzeitig überschreiben und so vor der Steuer bewahren. "In Ordnung ist das eigentlich nicht", räumt Landmann ein. Aber warum sollten Reiche auch bessere Menschen sein als der Rest der Bevölkerung?
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