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Regierung plant NetzfilterPor-No in Großbritannien

Die konservativ-liberale Koalition in London plant einen Netzfilter gegen Pornoangebote im Internet. Würde er beschlossen, ginge er über alle bisher diskutierten Pläne weit hinaus.

Was er sich wohl im Netz so ansieht? Premierminister David Cameron am Computer. Bild: reuters

Edward Vaizey ist Mr. Por-No: Der britische Kommunikationsminister, der der konservativ-liberalen Regierungskoalition angehört, hat sich der Einrichtung eines radikalen Netzfilters zum Jugendschutz im Internet verschrieben. Wenn es nach seinen Plänen geht, sollen alle Internet-Provider des Landes künftig dafür sorgen, dass bestimmte Sex-Formen im Netz in den Haushalten des Landes nicht mehr aufgerufen werden können. "Das ist mir eine sehr ernste Sache", sagte er im Interview mit der Sunday Times. Es gehe dabei um den Schutz von Kindern. "Da brauchen wir Lösungen."

Der Ansatz des Politikers ist aggressiver als alle bislang bekannt gewordenen Pläne für Netzfilter - geblockt würde standardmäßig. Wer Inhalte für Erwachsene sehen möchte, müsste sie bei seinem Netzversorger extra bestellten - verbunden mit allen eventuellen Peinlichkeiten ("Ich hätte gerne Playboy, Youporn und die Gewaltwebsite X"). Bislang basierte Sperrpläne und andere Jugendschutzmaßnahmen darauf, dass nachträglich gefiltert wird, mit Listen oder Software. Die Vorzensur stellte eine neue Dimension dar.

Vaizeys Plan sieht vor, im kommenden Januar mit einem Meeting der größten Provider des Landes zu beginnen. Sie sollen sich danach verpflichten, Pornografie nicht mehr an private Breitbandanschlüsse weiterzuleiten. "Bright Feed" nennt sich das zensierte Netz euphemistisch.

Vorausgegangen waren Pläne des Internet-Anbieters Talktalk, freiwillig ein vorgefiltertes Angebot für besorgte Kunden bereitzustellen. Vaizey möchte eine Verpflichtung daraus machen auf der Grundlage von Verträgen, die zwischen Regierungsbehörden und Providern geschlossen werden - ähnlich wie es in Deutschland bei den umstrittenen "Zensursula"-Sperren geplant war.

Das wäre einfacher als ein Gesetz, dem der Koalitionspartner der Konservativen, die Liberalen, die Zustimmung verweigern könnten. "Ich hoffe, die Provider kriegen es hin und der Gesetzgeber muss nicht aktiv werden", so Vaizey zur Sunday Times. Gleichzeitig drohte er schon mal ein neues Kommunikationsgesetz für die kommenden Jahren an.

Nach Vaizeys Plänen regt sich nun bei den Internet-Firmen Widerstand. Der Provider-Branchenverband ISPA teilte der "BBC" mit, die Pläne des Ministers seien technisch nicht umsetzbar. Die Netzbetreiber im Land blockierten bereits Missbrauchsdarstellungen, der Bereich der legalen Pornografie sei eine andere Sache, so der ISPA-Generalsekretär Nicholas Lansman. "Das wird dazu führen, dass der Zugriff auf legitime Inhalte blockiert wird." Ansonsten glaubt der Verband, dass Eltern in der Pflicht seien, wenn es um Jugendschutz im Internet geht. "Eine Regelung von oben herab ist falsch."

Der größte Provider in Großbritannien, der Ex-Monopolist BT, hat ebenfalls Probleme mit Vaizeys Plänen. Von neuen Filtermaßnahmen seien Kundenrechte und technische Systeme betroffen. Man sei aber gerne bereit, über das Thema zu diskutieren. Trefor Davies, Technikchef beim Provider Timico, ging noch weiter: "Es ist technisch nicht möglich, das Zeug zu blockieren." Die zahlreichen Zugriffswege auf Pornografie vom Web bis zum Dateitauschnetz mache die Aufgabe zum Unding. "Ein solches System wäre enorm teuer oder man verliert den Kampf."

Netzbürgerrechtler sehen unterdessen in Vaizeys Plänen einen anderen Hintergrund. Es gehe nicht um Pornografie, sondern um Zensur durch die Hintertür, teilte die "Open Rights Group" mit, die sich für ein freies Netz einsetzt. Tatsächlich könnte ein solcher Filter auch verwendet werden, um den Austausch von Filmkopien zu blockieren oder Informationen zu unterdrücken, die der Regierung nicht gefielen - Wikileaks-Dateien zum Beispiel.

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6 Kommentare

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  • V
    vantast

    Ungarn macht gerade beispielhaft vor, wie ordentlicher Bürger- und Kinderschutz aussehen muß. Scheint der Zug der Zeit zu sein, daß Freiheitsrechte eingeschränkt werden. Repression ist offenbar der Normalzustand, weil Aufklärung auf Dauer zu anstrengend ist. Nur sollte man diesen Rückschritt nicht mit wohlklingenden Worten verbrämen.

  • B
    bempo

    Diesen Einparteienstaat (meinetwegen nennt sie z.B. Henkell-Partei)haben wir hier doch auch längst. U.a. auch dank der umgekippten SPD und der willigen Medien als Propagandaverbreiter! Alle andersdenkenden werden als Linksradikal verfolgt oder zumindest beobachtet. Und auch in der Überwachung stehen wir dem in Nichts nach. Dieser Trend ist in ganz Eruopa zu beobachten. Was z.B. in Holland passiert, lässt einen ungläubig die Augen reiben!! Übrigens, kennt jemand den Science-Fiction (Horror)roman "Die sanften Ungeheuer" von Ira Levin? Bezeichnenderweise gibt es ihn nicht offizeill zu kaufen, einiges darin erinnert stark an die heutigen "hehren Ziele" der EU.

  • AS
    Antiwestliche Schnecke

    Europa Zukunft: Ein kapitalistsches Überwachungs-KZ.

    Pfui westliche Leitkultur !

  • K
    Kristian

    Die Torys haben in England gerade:

     

    - das Kindergeld für Haushalte gekürzt, wenn es dort ein Einkommen (nur eines!) von mehr als 44.000 Pfund gibt. Merke: wenn beide Eltern knapp unter 44.000 Pfund verdienen, also zusammen knapp unter 88.000 Pfund, wird nix gekürzt.

     

    - die Kosten pro Schüler flexibilisiert: Pupil Premium. Heißt: manchmal kriegt die eine oder andere Schule etwas mehr Geld pro Schüler, aber dieses Geld wird aus dem Budget aller Schulen zusammengespart.

     

    - sind dabei, die Pensionen aller Staatsbediensteten und Angestellten des Staates zu kürzen. Entspricht Rentenkürzungen.

     

    - sind dabei, die Gehälter aller Staatsbediensteten und Angestellten zu kürzen.

     

    - haben die Universitätsbudgets gekürzt und zwar um 30%.

     

    - haben zusätzlich die Studiengebühren verdreifacht! (von 3.000 Pfund / Jahr --> auf 9.000 Pfund / Jahr). diese müssen zurückgezahlt werden, sobald der Absolvent mehr als 21.000 Pfund, also 1.800 Pfund pro Monat verdient, viel ist das aber nicht im teuren England.

     

    - behalten die Nuklearbewaffnung bei (Trident)

     

    - können es sich nicht leisten, ihre 2 oder 3 Flugzeugträger, die GB benutzt, auch tatsächlich mit Flugzeugen zu bestücken. Trotzdem schippern die dinger jetzt durch die Weltmeere.

     

    - kürzen munter weiter bei der Krankenversorgung (NHS)

     

    - kürzen bei Behinderten, Alten, Schwachen und Kranken, öffentlicher Nah- und Fernverkehr (Busse, Züge, Underground)

     

    - haben eine Höchstgrenze für Sozialhilfe gesetzt: 500 Pfund pro Woche pro Haushalt. Das klingt zwar viel, aber das heißt, dass egal wieviele Personen in einem Haushalt leben, diese maximal 2.000 Pfund bekommen, die Familie mit 6 Kindern genauso wie die mit nur 2 Kindern, von behinderten Personen ganz zu schweigen.

     

    - wollen Ex-Soldaten als Lehrer in Schulen einsetzen, um die "Disziplin" zu verbessern. Kinder zu schlagen ist in England nicht expliziter Straftatsbestand, ein einmaliger Zustand in ganz Europa. (Womit ich nicht sagen will, in England würden die Kinder öfter oder mehr geschlagen)

  • L
    linsenspaeller

    Ich habe ja kürzlich erst hier behauptet, jeder nachhaltige wirtschaftliche Erfolg des chinesischen Modells würde im Westen einen Wettbewerb im Nachahmen auslösen. Diese Sache mit der Pornografie ist dafür nur ein frühes Symptom.

  • BO
    Brain of the Beast

    Es gibt diese Ambivalenz in der UK:Ausgeprägte Sex-Obsession u n d ausgepr Pornoindustrie.

    Das früher offene, lockere Land hat sich stark verändert. Selbst an Fahrradständern stehen in London Sicherheitshinweise: Bitte schließen sie ihr Fahrrad vorne u n d hinten ab. Im Flughafen rief uns einmal ein Lautsprecher dazu auf, uns nicht auf Kofferuntersätze zu setzen. Etwa drei Mio. Menschen haben das Land auf der Suche nach Glück in den letzten Jahren verlassen; seit Blair ist es arg nach rechts abgedriftet u. Orwells 1984 ist per Videoüberwachung, Irakkrieg, teils durch r e a l e Erfahrung von isl. Terror, dort längst eingeführt - seit Thatcher 1979 gibt es dort einen Einparteienstaat, der sich Extremkapitalismus nennen sollte, aber den Leuten Sand in die Augen streut, in dem er sie für drei kaum unterscheidbare Parteien wählen lässt.