Gegner altenglischen Stils

Werder Bremen bleibt nach der 1:3-Niederlage in der Champions League beim FC Barcelona nichts anderes übrig, als die Überlegenheit des Gegners anzuerkennen – und zu bewundern

AUS BARCELONA RONALD RENG

Wer wollte denn jetzt noch was? Patrick Owomoyela war schon auf dem Weg aus dem Stadion, als sich von hinten eine Hand auf seine Schulter legte. Der Außenverteidiger von Werder Bremen sah sich um – und seine Augen weiteten sich. Hinter ihm stand sein neuer Komplize und wollte ihm unbedingt noch die Hand drücken, ein inniges „Ciao!“ mitgeben in die Nacht. Es war ein Handschlag, der ein Ritterschlag war. Ronaldinho war gekommen, um sich zu verabschieden.

Jede Menge Nettigkeiten warf der FC Barcelona seinen Gästen hinterher, nachdem sie die Bremer in der Champions League 3:1 besiegt hatten, „sie haben auf Du und Du mit uns gespielt“, sagte Verteidiger Oleguer Presas. Barça bedankte sich also, dass Werder sich so anstandslos in die Rolle des ehrenhaften Sparringspartners gefügt hatte. Oft genug bekommt die spektakulärste Elf unserer Zeit Besuch von diesen Teams, die nur verteidigen, die Barças Magie mit zynischen Fouls bekämpfen. Wie angenehm war da, einmal einen Gegner von altenglischer Tradition zu haben: Wir geben unser Bestes, bleiben aber immer fair und nehmen die Niederlage erhobenen Hauptes hin. „Wir müssen akzeptieren, dass Barça eine Nummer zu groß für uns ist“, sagte Sportdirektor Klaus Allofs. „Die sind im Moment so drauf, dass man als Gegner nichts anderes machen kann, als sie zu beglückwünschen“, sagte Trainer Thomas Schaaf. Bis zum letzten Wort blieb Werder das Gentlementeam. Was aber sagt das über Werder als Fußballteam?

Das Einfachste wäre, zu behaupten: Werder, die Bundesliga, ist nicht gut genug. Es ist das Totschlagargument. Es bekommt Nahrung dadurch, dass Werder nun selbst in einer Champions-League-Vorrunde vor dem Aus steht, in der es aufgrund seiner Qualität fraglos weiterkommen sollte. Nun steigt Werder allenfalls ins Achtelfinale auf, falls sie das abschließende Spiel gegen Panathinaikos Athen gewinnen und gleichzeitig Barça in Udine siegt, eine „ziemlich theoretische Chance“, wie Verteidiger Christian Schulz zugibt, weil Gruppensieger Barça in Italien um nichts mehr spielt.

Werder offenbarte in Barcelona seine Stärke, das ballsichere Passspiel, und schonungslos seinen wunden Punkt: Ihrem Spiel fehlt die absolute Konzentration, die brutale Intensität; Fähigkeiten, die gegenüber Werten wie Technik, Schnelligkeit oder Kampfgeist in den Analysen gerne vernachlässigt werden. In der jungen Sprache Owomoyelas klang der entscheidende Unterschied so: „Wir offenbarten kurz etwas, und, schwupps, war es ausgenutzt.“ Mal ließen die Männer des Mittelfelds, Torsten Frings und Tim Borowski, den Zwischenraum zur Abwehr drei Meter zu groß werden, und, schwupps, nahm sich Deco den Raum, um frei angespielt zu werden. Mal hinkte Frank Fahrenhorst eine Zehntelsekunde hinterher, als sich sein Gegner löste, und, schwupps, schickte Ronaldinho Gabri oder Henrik Larsson los zu ihren Toren.

Es ist fraglich, ob man diese in Europa notwendige permanente Wachsamkeit lernen kann. Aber warum sollte es Werder nicht gelingen? Es ist eine willige Elf mit Qualität und einem Stürmer, Miroslav Klose, der im Camp Nou nie im Großen, aber in vielen Details seine Außergewöhnlichkeit andeutete – er wird, mit einem Jochbeinbruch, nun wochenlang schmerzlich fehlen. Gleichzeitig zeigte gerade Werders Schwäche, dass es falsch ist, gleich wieder die gesamte Bundesliga zu bejammern: Denn Bayern München, aber auch der Hamburger SV haben genau dort ihre Stärke, in der absoluten Konzentration und Intensität.

Natürlich: Im Normalfall schlägt derzeit niemand Barça. Sieben Siege in den jüngsten sieben Spielen, 24:2 Tore, sagen alles. Und so sei es Werder gegönnt, dass sie ein bisschen auch staunende Bewunderer waren, während Ronaldinho seine Schau aufführte, Pässe mit der Brust spielte oder die Volterinha gab, seinen Trick, bei dem er sich wie ein Eiskunstläufer mit dem Ball einmal komplett um die eigene Achse dreht. Letztlich blieb nur eine entscheidende Frage zurück: Wer hatte sich Ronaldinhos Trikot gesichert? „In der Kabine hat sich keiner geoutet“, sagte Owomoyela. Die Blicke der Journalisten richteten sich auf einen Verdächtigen: „Was, ich? Nein, wirklich, ich habe das Trikot nicht“, sagte Sportdirektor Allofs.