: Keine Verschnaufpause
Nach der mühsamen Sanierung steht der „Frankfurter Rundschau“ womöglich bereits die nächste Belastung bevor: Gerüchten zufolge plant die Geschäftsführung erneut Etat-Kürzungen für 2006
VON PEER SCHADER
Der große Schock ist erst ein paar Jahre her. Als 2001 der Werbe- und Anzeigenmarkt kollabierte, war die Krise in vielen deutschen Zeitungsverlagen groß. Besonders hart traf es die Frankfurter Rundschau, die sich selbst einen strikten Sparkurs verordnete. Eine Bürgschaft der hessischen Landesregierung war nötig, die Belegschaft wurde drastisch verkleinert und 2004 sprang die SPD-Medienholding DDVG als Geldgeber ein. Im eigenen Blatt berichtete die Redaktion dabei stets offen über die eigene Krise.
Jetzt scheint es wieder bergauf zu gehen. Das Grundstück in der Frankfurter Innenstadt ist verkauft, die Redaktion arbeitet nun in angemieteten Büros im Stadtteil Sachsenhausen. Im Sommer wurde prognostiziert, es gebe gute Chancen, das laufende Jahr mit einer „schwarzen Null“ abzuschließen. Die DDVG ist zwar offiziell auf der Suche nach einem neuen Mehrheitseigner für die FR, aber das war von vornherein klar. Neu-Geschäftsführer Karlheinz Kroke, der im September auf den DDVG-Mann Jens Berendsen folgte, beruhigte die Mitarbeiter vor drei Wochen in einem internen Schreiben, dass es nicht so laufen werde wie bei der Berliner Zeitung: „Die DDVG wird (…) auf keinen Fall an einen Finanzinvestor veräußern.“
„Das ist Unfug“
Ganz so glatt, wie man nach außen hin tut, läuft es aber offenbar nicht. Die Redaktion ist verunsichert. Es kursieren Gerüchte, dass Kroke, bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Koblenzer Rhein-Zeitung, als harter Sanierer aufgefallen, den Redaktionsetat für 2006 noch einmal massiv senken will. Von minus 10 bis 20 Prozent ist die Rede, auch wenn es keine konkrete Bestätigung für die Zahlen gibt. Dazu heißt es, dass Chefredakteur Wolfgang Storz vor zwei Wochen auf einer internen Konferenz erklärt habe, er werde weitere Kürzungen nicht mittragen. Was das in der Konsequenz zu bedeuten hätte, kann man sich leicht ausmalen. Storz hat das Blatt in den vergangenen Jahren modernisiert und das journalistische Profil geschärft.
FR-Geschäftsführer Kroke sagt auf taz-Anfrage zu den Kürzungsgerüchten: „Das ist Unfug. Der Planungsprozess für das nächste Jahr ist noch gar nicht abgeschlossen.“ Und dann sagt er nichts mehr. Außer, dass er über Interna grundsätzlich nicht mit Außenstehenden rede. Ein explizites Dementi klingt anders. Auch sonst ist die Redebereitschaft bei der FR derzeit nicht besonders hoch. Chefredakteur Storz möchte zu der Angelegenheit überhaupt keine Stellung nehmen. Betriebsratschef Viktor Kalla verweist auf die laufenden Etatverhandlungen, die man erst nach deren Abschluss kommentieren könne. DDVG-Geschäftsführer Jens Berendsen immerhin sagt: „Es gibt verschiedene Modellberechnungen und verschiedene Ansätze, aber entschieden ist nichts.“ Manch einer im Haus wundert sich, warum das so kurz vor Jahresende immer noch nicht geschehen ist .
Auch über die „schwarze Null“ wird in Frankfurt plötzlich verhaltener geredet. „Wir müssen schauen, wie sich die Anzeigenmärkte im letzten Quartal entwickeln“, sagt Kroke. Berendsen ist ähnlich vorsichtig: „Das hängt davon ab, wie das Weihnachtsgeschäft läuft.“ Dass in Frankfurt derzeit so geblockt wird, ist ungewöhnlich, eben weil man bisher gewöhnt war, dass sich die FR in eigener Sache offen gibt.
Weitere Kürzungen dürften der Zeitung langfristig eher schaden. Schon jetzt arbeiten vor allem die Lokalredaktionen an der Grenze ihrer Belastbarkeit. Im vergangenen Jahr startete die FR mit einer großen Werbekampagne ihre Offensive in der Regionalberichterstattung. Neue Leute, sagte Storz schon damals, würden dafür nicht eingestellt.
Die Belastung steigt
Derzeit testet der Verlag in Hessen ein Gesundheitsmagazin, das ebenfalls aus den bestehenden Redaktionen bestückt wird, zum Teil mit bereits gedruckten Artikeln. Dennoch ist die Zusatzbelastung groß. Weitere Titel sind in Planung. Würde dann der Etat gekürzt, sähe es düster aus. Andererseits muss Geschäftsführer Kroke die FR schnellstmöglichst für einen neuen Gesellschafter hübsch machen.
Noch sind die Kürzungen nicht beschlossen. Sollten sie aber kommen, bräuchte es keine Heuschrecken-Panik wie in Berlin, um der Befürchtung Nachdruck zu verleihen, dass eine Zeitung, die für Qualität und seriöse Berichterstattung steht, kaputtgespart werden könnte.
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