piwik no script img

Vatikan-Dokumentation in der ARDHomestory beim Papst

Viel Pathos, ein lässiger Astronom und ein Ministrant, der von einer Begegnung mit Benedikt XVI. träumt: "Vatikan – die verborgene Welt" (Donnerstag, 21.45 Uhr, ARD).

Mittelpunkt der katholischen Welt: Der Petersdom im Sonnenuntergang. Bild: br

Ob etwas Gutes dabei herauskommen kann, wenn ausgerechnet der katholischste aller deutschen Fernsehsender – der Bayerische Rundfunk – einen Neunzigminüter über den Vatikan in Auftrag gibt? Wenn in der Pressemappe hinter das Sendedatum der Hinweis "Hl. Drei Könige" gesetzt wird? Wenn die redaktionelle Verantwortlichkeit dafür bei Sabine Scharnagl liegt, der Tochter Wilfried Scharnagls? Der war immerhin der ewige Chefredakteur beim Bayernkurier, der Hauspostille der unmissverständlich christlich geprägten CSU.

Der skeptische Zuschauer wird seine Bedenken nach Ansicht des Films nur teilweise bestätigt sehen. Natürlich kommen vatikankritische Theologen oder andere Papstbeschmutzer nicht zu Wort. Klar bekommt man gefühlte fünfundzwanzig Mal aufs Brot geschmiert, dass der Papst "das Oberhaupt von über einer Milliarde Katholiken" ist. Dazu wird das und überhaupt jede Information mit einer in Feierlichkeit nicht zu überbietenden Musik gefettet und doppelt unterstrichen.

Um sich dagegen zu behaupten, muss der Sprecher des Off-Kommentars sein ganzes theatralisches Können in die Waagschale werfen. "Tatort"-Kommissar Udo Wachtveitl ist im Nebenjob ein viel beschäftigter, versierter Sprecher von Dokumentationen. Als Schauspieler weiß er um das pathetische Potenzial der Kunstpause und reizt sie hier ein ums andere Mal voll aus. Etwa wenn er zu Beginn den Gegenstand des Films erklärt: "Dies ist die Reise in eine verborgene Welt. – Der Vatikan. – Für über eine Milliarde Katholiken. – Mittelpunkt ihres Glaubens."

Man muss sich kopfschüttelnd wundern, wenn Recherchen das Anstellungsverhältnis einer einzigen konvertierten deutschen Jüdin beim Vatikan in den dreißiger Jahren belegen und Wachtveitl daraufhin doziert: "Der Fall wirft ein neues Licht auf die bis heute scharf diskutierte Frage: Wie verhielt sich der Vatikan zur Judenverfolgung?" Aber andererseits: Dem australischen Autor dieses Films, Richard Ladkani, gelingt es tatsächlich sehr eindrücklich, Einblick in einen sehr speziellen vatikanischen Alltag zu gewähren. Drei Jahre lang hat er an diesem Film gearbeitet, ein Jahr lang gedreht.

Papst Benedikt XVI. hat kein Privatleben, seine Sekretäre weichen niemals von seiner Seite, nicht einmal, wenn er abends die Fernsehnachrichten sieht. Nur eine halbe Stunde Freizeit gönnt Benedikt sich pro Tag. Dann aber Achtung: "Wenn der Papst in den Gärten spazieren geht, werden alle Straßen gesperrt. Niemand darf mehr durch, nicht mal im Notfall."

Das sagt Valentino Dumitrana, er ist 14 Jahre alt, Ministrant im Petersdom. Sein sehnlichster Wunsch ist es, dem Papst einmal persönlich zu begegnen. Die Welt ist klein, der Vatikan größer als man denkt. Und geschäftiger. Mitunter werden innerhalb einer Stunde an den 45 Altären des Petersdoms über 100 Messen gelesen. Die Priester stehen Schlange, Valentino muss auf Zack sein: "Sobald sie da sind, ziehst du sie an und los geht's. Sonst ist vielleicht ein anderer Ministrant schneller und besetzt schon den Altar, an den du mit deinem Priester hin möchtest."

Neben Valentino hat Ladkani sieben weitere Vatikan-Insider begleitet, darunter den obersten Leibwächter des Papstes, seinen Hoffotografen – und Bruder Guy J. Consolmagno, Astronom der Vatikanischen Sternwarte. Der sieht die Dinge eher lässig: "Meine Religion sagt mir, dass Gott das Universum erschaffen hat. Aber meine Wissenschaft kann mir sagen, wie."

So einfach ist das. Schade eigentlich, dass die Kreationisten Protestanten sind und aus Prinzip nicht glauben, was der Vatikan verkündet.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • DB
    David Berger

    Der Film scheint tatsächlich Teil einer umfassenden PR-Kampagne für den Papst zu sein. Diese hat inzwischen auch Deutschland erreicht: Mit Hilfe des BR, der "Bild" und des "Focus" werden uns permanent Papstbilder präsentiert, die an eine Weichspüler-Werbung erinnern ... der Papst mit der "First Lady" des Vatikan beim Spazierengehen, beim TV gucken (Don Camillo!)und natürlich bei der Arbeit am Schreibtisch ... Denn das Papstbuch will ja geschrieben sein - und vermarktet: dazu dann auch eine völlig belanglose Kondomaussage, in die Öffentlichkeit lanciert vom Osservatore Romano, der Privatzeitung des Papstes - aber auch das ist eben PR. Da soll noch mal einer sagen, die Katholische Kirche sei nicht modern. Die postmoderne Verlagerung weg von Inhalten hin zu deren Verpackung hat sie jedenfalls voll übernommen ...

  • K
    KFR

    na dann sind doch sicher bald ähnlich PR-Aktionen für die restlichen 5 Milliarden "Anders-Gläubigen" fällig oder wird die ARD demnächst eine kostenpflichtige App mit selektivem weltweitem Abo anbieten, damit die Abrufzahlen die konfessionelle Neutralität und objektive Berichterstattung belegen ?