USA erwägen Teilabzug aus dem Irak

Nach einer wochenlangen öffentlichen Debatte im Kongress und sinkenden Umfragewerten kündigen Pentagon und Außenministerin Rice die Möglichkeit an, Anfang des kommenden Jahres einen Teil der Soldaten aus dem Irak zurückzuziehen

VON BERND PICKERT

Erstmals hat die US-Regierung offiziell von der Möglichkeit gesprochen, im kommenden Jahr die Zahl der im Irak stationierten Truppen deutlich zu reduzieren. Anfang 2006 könnten 3 der derzeit 18 Kampfeinheiten (combat brigades) aus dem Irak abgezogen werden, berichtet die Washington Post unter Berufung auf hohe Mitarbeiter im Pentagon. Eine der Einheiten solle allerdings in Bereitschaft in Kuwait verbleiben, um gegebenenfalls schnell eingreifen zu können. Außenministerin Condoleezza Rice sagte dem rechten US-Fernsehsender Fox News am Dienstag: „Ich glaube nicht, dass die amerikanischen Truppen in diesem Umfang noch viel länger gebraucht werden, da die Iraker dabei sind, ihre Aufgaben mehr und mehr zu übernehmen.“

Dem pflichtete auch US-Generalstabschef Peter Pace bei: „Äußerst positiv“ entwickelten sich die Dinge bei der Ausbildung der irakischen Armee, sagte Pace ebenfalls in Fox News. Im Sender CNN hingegen mahnte der für die Ausbildung der irakischen Armee zuständige US-General Martin Dempsey zur Vorsicht: Es sei nicht absehbar, wann die irakischen Sicherheitskräfte selbst in der Lage seien, die derzeit von den US-Einheiten ausgefüllten Aufgaben zu übernehmen, sagte Dempsey.

Die Ankündigungen aus Washington werden womöglich zunächst weniger konkrete Auswirkungen haben, als vor allem die politische Botschaft aussenden, dass auch die Regierung mehr zu bieten hat als Durchhalteparolen. Denn die derzeitige Truppenstärke von rund 155.000 war tatsächlich nie für die Dauer geplant: Die zusätzlichen Soldaten zu dem Grundstock von 138.000 sollen eigentlich nur die irakischen Parlamentswahlen am 15. Dezember absichern. Ein Teilabzug danach wäre durchaus im Rahmen der Planung.

Weitergehende Signale setzt hingegen die Ankündigung, im laufenden Jahr mehrfach die Möglichkeit weiterer Truppenreduzierungen zu überprüfen, um womöglich die Zahl der im Irak stationierten Soldaten bis Jahresende – d. h. bis zu den Kongresswahlen im November – auf unter 100.000 zu senken.

Doch ein Zeichen tut Not nach Wochen erregter Diskussion im US-Kongress und in der Öffentlichkeit über einen baldigen Abzug. Der demokratische Abgeordnete John Murtha aus Pennsylvania, selbst hoch dekorierter Vietnam-Veteran, hatte vergangene Woche in einer flammenden Rede im Kongress zu einem schnellen Rückzug der USA aus dem Irak aufgerufen – etliche Politiker beider Fraktionen hatten sich, mit unterschiedlichen Nuancen, dem angeschlossen.

Das reflektiert auch die öffentliche Meinung: Seit Monaten schon, noch bevor Anfang November der 2.000. US-Soldat im Irak getötet wurde, verliert der Irakkrieg in den Umfragen an Popularität. 52 Prozent der US-Amerikaner sprachen sich letzte Woche gegen den Krieg und für einen Abzug aus – mehr Kriegsgegner als auf dem Höhepunkt der Antivietnamkriegsbewegung.

Dabei sind sich auch die Demokraten in der Forderung nach einem sofortigen Abzug aus dem Irak nicht vollkommen einig. Senator Barrack Obama etwa, der im vergangenen Jahr gewählte Shooting-Star der Demokraten aus Illinois, forderte Präsident Bush auf, endlich Fehler einzugestehen und Truppen aus dem Irak abzuziehen – aber bei weitem nicht alle. Es sollten vielmehr genug Soldaten im Irak verbleiben, um „das Land vor einem Bürgerkrieg und vor ethnischen Säuberungen zu bewahren“ und um zu verhindern, dass der Irak zu einer Zufluchtstätte für Terroristen wird.

Auch die als mögliche Präsidentschaftskandidaten für 2008 gehandelten demokratischen Senatoren Joe Biden, Hillary Clinton, John Kerry und John Edwards sprachen sich für einen gestaffelten Abzug aus. Biden sagte am Montag, er plädiere für eine Truppenreduzierung um 50.000 Soldaten bis Ende 2006 und um weitere 60.000 bis 80.000 bis Anfang 2008.

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