Computer haben viel zu sagen

Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über beschlagnahmte Handys und Computer. Denn wenn sich die Polizei einen PC holt, will sie auch die E-Mails lesen. Karlsruhe muss nun entscheiden, ob hier das Fernmeldegeheimnis gilt

KARLSRUHE taz ■ „Es könnte sein, dass der Schutz der Bürger im Zeitalter von E-Mail und Mobiltelefonen an die neuen technischen Möglichkeiten angepasst werden muss“, orakelte gestern Winfried Hassemer, der Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Der Zweite Senat plant ein Grundsatzurteil zur Weiterentwicklung des Fernmeldegeheimnisses. Gesucht werden Regeln, nach denen die Polizei künftig beschlagnahmte Handys und Computer auswerten darf.

Geklagt hatte eine Richterin aus Heidelberg, die im Januar 2003 unter Verdacht stand, einem befreundeten Spiegel-Reporter Ermittlungsergebnisse verraten zu haben. Unter anderem ließ die Staatsanwaltschaft ihren Computer und ihr Handy beschlagnahmen, um herauszufinden, mit wem sie telefoniert oder E-Mails gewechselt hatte. Die Ermittlungen verliefen zwar im Sande, doch die Richterin wehrte sich und klagte gegen die Auswertung ihrer Geräte.

In Karlsruhe ging es nun vor allem um die Frage, ob das Fernmeldegeheimnis auch die auf Handys gespeicherten Verbindungsdaten sowie die auf einer PC-Festplatte aufbewahrten E-Mails schützt. Im Februar hatte das Verfassungsgericht dies in einem anderen Fall bejaht und damit bei den Ermittlern Entrüstung ausgelöst. Nun nahm das Gericht die Klage aus Heidelberg zum Anlass, noch mal über das Problem nachzudenken.

Für die Polizei steht einiges auf dem Spiel. „Allein in Baden-Württemberg werden pro Jahr in tausenden von Ermittlungsverfahren Mobiltelefone und PCs überprüft“, sagte Uwe Schlosser, Staatsanwalt in Ellwangen, „das sind etwa 2 bis 3 Prozent aller Ermittlungsverfahren.“ Gälte das Fernmeldegeheimnis auch in diesen Fällen, könnten Ermittler Anruflisten und Mail-Verkehrsdaten nur noch beim Verdacht auf „erhebliche Straftaten“ auswerten. Und den Inhalt von SMS-Nachrichten und E-Mails könnte sie nur prüfen, wenn der Fall auch das Abhören des Telefons erlauben würde. „Dann könnten wir zum Beispiel bei Verdacht auf Kinderpornografie nicht mehr die Festplatte eines Verdächtigen überprüfen“, warnte Ralf Wehowsky von der Bundesanwaltschaft.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) plädierte gestern vehement für eine enge Auslegung des Fernmeldegeheimnisses. Wie das Briefgeheimnis schütze das Fernmeldegeheimnis nur vor den Gefahren bei der Übermittlung einer Nachricht. Was zu Hause auf dem Computer oder dem Handy gespeichert bleibt, könnte wie ein normales Beweismittel beschlagnahmt werden.

Die Anwälte der Heidelberger Richterin warnten dagegen vor einer Dramatisierung. „Auch wenn das Fernmeldegeheimnis weit ausgelegt wird, sind der Polizei nicht die Hände gebunden“, sagte Anwalt Dirk Sauer.

Das Urteil wird Anfang des nächsten Jahres verkündet.CHRISTIAN RATH