Web-App Readability mit neuem Modell: Bei Bezahlung schöner Lesen
Mehr Werbung als Text? Readability erlaubt es, sich online ganz auf die eigentliche Lektüre zu konzentrieren. Doch für diesen Luxus müssen Nutzer künftig zahlen.
Bislang war Readability einfach nur ein praktisches Werkzeug: Über ein simples Bookmarklet, das sich in jeden modernen Browser integrieren lässt, lassen sich Web-Inhalte per Mausklick angenehmer gestalten. Der Text einer Nachricht oder eines langen Lesestücks werden so wieder in den Vordergrund gerückt: Werbung und Menüs verschwinden, unnötige Bilder ebenfalls. Gleichzeitig kann der User mit wenig Mühe einige Anpassungen vornehmen, etwa seine Lieblingsschriftart einstellen oder die Spaltenbreite wählen. Ebenfalls nett: Readability erlaubt es, Artikel von mehreren Seiten auf einer zusammenzufassen, was viel Klickerei spart.
Die im Quellcode veröffentlichte Mini-Software, die das Designbüro Arc90 (web.archive.org, 27.1.2011) aus New York entwickelt hatte, wurde so schnell populär, dass sie schließlich sogar Apple in seine Web-Software Safari (web.archive.org, 20.8.2010) einbaute. Seither muss man in dem Browser nur noch den Knopf „Reader“ drücken, um Artikel zu entschlacken.
Auch künftig werden User Readability auf diese Art weiterverwenden können, wenn sie sich das Bookmarklet bereits angelegt haben oder sich etwas mit der Web-Sprache PHP auskennen und den Programmcode installieren kann. Alle anderen User dürften sich am Dienstag gewundert haben, dass die Readability-Seite (web.archive.org, 1.2.2011) einen neuen Look bekommen hat.
Denn Arc90 hat Readability als eigene Firma ausgegliedert und daraus eine neuartige Form von Autoren-Bezahldienst gemacht: Ein bisschen wie der Bezahldienst Flattr, aber doch ganz anders. Wer Readability künftig direkt nutzen will, muss es für minimal fünf Dollar im Monat abonnieren. 70 Prozent dieses Mitgliedsbeitrags sollen an die Autoren gehen, deren Texte über Readability genutzt werden können.
Denn tatsächlich hatten die Autoren den Dienst mit zunehmendem Argwohn betrachtet. Denn mit Readability befreien sich Nutzer von Werbung. Doch die ist es, die viele der angebotenen Inhalte hauptsächlich finanziert. Nun scheint Readability auf diesen Druck mit dem neuen Modell reagieren. Laut Blog-Eintrag (web.archive.org, 1.2.2011) soll die neugeschaffene Plattform Nutzer dazu anregen, Autoren und Verlage zu unterstützen, die ihnen besonders zusagen. „Qualitativ hochwertige Inhalte sind teuer“, so die einfache Formel der Readability-Macher.
Der Mitgliedsbetrag ähnelt dem Flattr-Prinzip: Die Nutzer sollen einmal im Monat eine bestimmte Summe zahlen, die dann automatisch aufgeteilt wird. Readability trackt dabei, welche Stücke gelesen werden und verteilt die Einnahmen entsprechend. „Wenn Joe Abonnent 10 Dollar im Monat für den Readability-Service bezahlt, gehen 7 Dollar davon an die Publisher“, erklären die Macher. Liest Joe 14 Artikel auf 14 unterschiedlichen Domains im Monat, erhält jede Domain gerecht 50 Cent von den 7 Dollar.
Readability stellt Verlagen und Website-Betreibern eine offene Schnittstelle (web.archive.org, 28.6.2011) bereit, über die sie ihre Inhalte melden können. Einen Zulassungsprozess wie bei Apple werde es nicht geben, jeder könne mitmachen, heißt es. Die Publisher werden zunächst jedoch nur zweimal im Jahr bezahlt. Immerhin will Readability das Geld auch für diejenigen Anbieter sammeln, die noch nicht offiziell auf der Plattform angemeldet sind.
Ob sich Readability im Vergleich zu eingeblendeter Werbung rechnen wird, ist zweifelhaft. Da die User des Dienstes aber derzeit gar keine Reklame zu sehen bekommen, dürften sich dennoch die meisten Autoren und Verlage beim neu geschaffenen Bezahl-Modell anmelden. Alternativ könnten sie Readability nur verbieten, ihre Seiten zu kürzen – noch gab es solche Fälle aber anscheinend nicht.
Links, deren Ziele inzwischen nicht mehr erreichbar sind oder inhaltlich nicht mehr dem Stand dieses Artikels entsprechen wurden ersetzt und zeigen jetzt auf zeitnahe Momentaufnahmen der jeweiligen Seite auf web.archive.org.
Das neue Readability soll nicht nur im Browser, sondern auch in Smartphone- und Tablet-Apps genutzt werden können. Dazu arbeitet das Unternehmen mit dem Programmierer Marco Arment zusammen, der den Artikelspeicherdienst Instapaper betreibt, der schon auf die alte Version von Readability setzte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Protest in Unterwäsche im Iran
Die laute Haut
T.C. Boyle zur US-Präsidentschaftswahl
„Halb Amerika schwelgt im Hass“