Die Wahrheit: Das Geheimnis der Zwillingsschwestern

Bereits Ende des 19. Jahrhunderts unterrichtete uns die kluge George Sand im Rahmen ihres Romans "Die kleine Fadette" über das beinahe unausweichlich miteinander verwobene Schicksal ...

....von Zwillingspaaren. Geht es mit dem oder der einen in irgendeiner Form bergab, dauert es meist nicht lange, bis der übrig gebliebende Teil, wie einer stummen Abmachung folgend, blindlings solidarisch hinterher marschiert. So stehts geschrieben, und so ist es leider auch schon allzu oft gekommen.

Ein diesbezüglich sehr schönes Beispiel bietet die Stadt, in der ich wohne, denn sie beheimatet, neben allerlei anderen skurrilen Menschen, auch eines jener ominösen Zwillingspaare, das sich sogar in ausgewachsenem Zustand tagtäglich vollkommen identisch kleidet und unter allen Umständen seine alltäglichen Geschäftigkeiten gemeinsam absolviert.

Es handelt sich um zwei etwa 25-jährige Schwestern, die unsere Stadt seit einiger Zeit sozusagen doppelt heimsuchen und ob ihrer wirklich verblüffenden Ähnlichkeit immer wieder anerkennende Zustimmung und allerlei Respekt zollendes Kopfnicken einheimsen. Und jene "Guck-wie-süß"-Kommentare beziehen sich eben nicht nur auf die beiderseitig angeborene physiognomische Doppelgesichtigkeit der beiden, sondern hauptsächlich auf das Gesamt-Event, das die Schwestern aufgrund der vermeintlich sensationellen Sache nimmermüde zelebrieren. Denn mit der identischen Kleidung und deckungsgleichen Frisur-Variationen ist es bei ihnen noch lange nicht getan, nein, auch die kecken Handtäschchen und sogar die Einkaufstüten werden in ihren Auftritt integriert. Man konnte mittlerweile sogar zum wiederholten Male beobachten, wie die beiden ihre, selbstredend gleichfarbigen, Haargummis aus ihren Pferdeschwänzen lösten und dergestalt parallel die Frisuren zu schon wieder neuer Gleichheit schwappen ließen.

Was aber wollen uns die beiden Schwestern mit derlei Auftritten mitteilen? Ich muss gestehen, ich weiß es nicht und hätte es wohl nie erfahren, wenn ich nicht vor kurzem Zeuge einer Szene im Supermarkt geworden wäre. Zum ersten Mal war es mir vergönnt, sie miteinander reden zu hören.

Die beiden standen vor dem Erbsenregal und lauschten den Ausführungen einer älteren Bekannten über die seinerzeitige Fernsehübertragung der ersten Mondlandung. Die einzelne Dame berichtete, wie sie damals trotz der nächtlichen Sendung hellwach zuschaute, woraufhin der erste Zwilling fragte, warum man so etwas Bedeutendes denn unbedingt nachts übertragen müsse. Die Antwort ihrer Schwester hätte als veritabler Scherz in so mancher Fernsehsendung für solide Lacher gesorgt, war aber, wie ihr maroder Gesichtsausdruck verdeutlichte, leider durchaus ernst gemeint: "Klar war das nachts, war doch aufm Mond."

Und so war es mir an diesem denkwürdigen Tag vergönnt, den einzig relevanten Unterschied zwischen den beiden geheimnisvollen Zwillingsdamen zu erfahren: Eine ist tatsächlich blöder als die andere.

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kari

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