schurians runde welten
: Zielschießen in der Pinkelpause

„Alles ist gut, deswegen schieße ich auch wieder meine Tore.“

(Kevin Kuranyi)

Sogar dort, wo auch Kaiser zu Fuß hingehen, ist Fußballwahnsinn ausgebrochen. Damit die Urinale von Gastwirtschaften nicht von Kippen verstopft werden, hängt ein Plastiksieb in den Becken. Und in diesen gierigen Tagen werden nicht nur Papierhandtücher mit Karateschulwerbung bedruckt, selbst die Stummelfilter werden sportlich aufgebretzelt, sollen die Vorfreude auf die Weltmeisterschaft steigern.

Findige Hersteller haben die triefenden Teile deshalb mit kleinen Toren bestückt, von deren Latte ein rotes Bällchen an einem Nylonfaden baumelt, das es beim Wasserlassen zu treffen gilt. Mit Zielgeschick kann man beim Toilettengang eine ganze Reihe hübscher Treffer erzielen. Und weil wir in Deutschland sind, kommt auch das Erzieherische nicht zu kurz: Es heißt, durch das Mittelstrahlspiel habe sich der Reinigungsbedarf erheblich verringert, weil selbst Wankende darauf achten – ballaballa wie wir sind ! – Ball und nicht die Kacheln zu treffen.

Im Mutterland des Fußballs wird sich der Klokicker wohl nicht durchsetzen, dabei würde man den Briten gerne mehr Konzentration auf Blasenerleichterung wünschen. Was in unseren Breiten peinlich vermieden wird, gehört auf der Insel zum guten Ton: Junge Männer gehen zusammen pissen. Stellen sich schräg vor die kollektive Edelstahlwand, unterhalten sich laut, während sie mit ihren Zeugungsapparaten herumwedeln und dabei die Hosenbeine ihres Nachbarn benetzen. Die zumeist bestialisch nach Chlorsteinen und Männerpisse stinkenden Klos sind dort ein sozialer Ort geworden. Was ungefähr so seltsam ist, wie die angelsächsischen Familienväter, die mit ihrem Auto zu Aussichtspunkten fahren, um auf dem Fahrersitz ohne Aufzuschauen Tageszeitung zu lesen.

Das Briten anders sind, hat mir nun auch ein grotesker DVD-Streifen vor Augen geführt. Er heißt „Football factory“ und handelt von sexistischen, drogensüchtigen, gewalttätigen Fußballfans, also dem englischen Durchschnittsburschen, der sich in fremden Betten, blutigen Straßenschlachten, Reisebussen und auf den Aborten zahlloser Pubs herumtreibt. Was den Fußballfilm so besonders macht: Die einzigen Fußballszenen, die er zeigt, sind Bilder von einer FA-Cup-Auslosung.

26.11. Duisburg – Köln

Auch wenn es weh tut, Dirk Lottner würde am Samstag lieber auf einer englischen Toilette eingesperrt sein, als gegen seinen FC ein Tor zu schießen. Aber der rührselige Urkölner ist nun einmal beim MSV, wie er es sagt, „angestellt“ – was seinen Einsatz nicht unbedingt wahrscheinlicher gemacht hat. Noch mal Glück gehabt, Lottner.