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Vorstoß der Senioren-Union NRW fällt durchRegierung lässt Kinder lärmen

Das Kabinett setzt hohe Hürden für Klagen gegen Kinderkrach in Wohngebieten. Der Bundesvorsitzende der Senioren-Union sieht ein "klares Signal für eine kinderfreundliche Gesellschaft".

Der Bundesrat hatte bereits im März 2010 eine rechtliche Klarstellung zum Kinderlärm gefordert. Bild: apn

BERLIN dapd | Anwohner in Wohngebieten können sich künftig kaum noch per Klage gegen Kinderlärm in ihrer Nachbarschaft wehren. Das Kabinett brachte am Mittwoch eine Gesetzesänderung auf den Weg, die hohe Hürden für den Gang vor Gericht schafft. Umweltminister Norbert Röttgen verteidigte die Entscheidung. Wer Kinder wolle, müsse Kinderlärm respektieren, auch in der Mitte von Städten und Gemeinden, erklärte der CDU-Politiker. Die Senioren-Union, aus deren Reihen es zuletzt Kritik gegeben hatte, begrüßte den Vorstoß.

Durch eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes soll künftig sichergestellt sein, dass der Lärm von Kindertageseinrichtungen und Spielplätzen nicht mehr als "schädliche Umwelteinwirkung" gewertet werden kann. Lärmschutzgrenzen, wie sie für Industrie- und Sportanlagen gelten, gelten für Kitas nicht mehr. Das Gesetz gilt auch für bereits bestehende Einrichtungen. Das Bauministerium arbeitet zudem an einer entsprechenden Änderung des Bauplanungsrechts.

Mit der Änderung kommt die Bundesregierung auch einem Wunsch der Länder nach. Der Bundesrat hatte bereits im März 2010 eine rechtliche Klarstellung zum Kinderlärm gefordert. Berlin hatte vor einem Jahr als erstes Bundesland eine eigene Regelung erlassen.

Röttgen sagte, die Änderung sei nötig, weil die jetzigen Bestimmungen keinen Unterschied machten zwischen dem Lärm von Presslufthämmern und dem von Kindern. Zudem gebe es in der Gesellschaft über alle Generationen hinweg den Wunsch, die bestehende "Diskriminierung" von Kindern aufzuheben. Es gebe vielleicht einzelne Menschen, die gegen Kitas in ihrer Nachbarschaft seien. Die Mehrheit sei aber eindeutig dafür, sagte der CDU-Politiker, dessen Ministerium für die Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zuständig ist.

Familienministerin Kristina Schröder begrüßte den Kabinettsbeschluss. "Kinder gehören in die Mitte unserer Gesellschaft und Kindertagesstätten nicht an die Randgebiete verdrängt, sondern da hin, wo die Familien wohnen", erklärte die CDU-Politikerin. "Wir wollen eine kinderfreundliche Gesellschaft - und dazu gehört eben auch, dass es nicht immer mucksmäuschenstill sein kann."

Der Vorsitzende der Senioren-Union, Otto Wulff, nannte die Änderung ein "klares Signal für eine kinderfreundliche Gesellschaft": "Angesichts der gewaltigen demografischen Herausforderungen setzt diese Gesetzesänderung, die junge Familien zu Kindern ermuntert, auch ein Zeichen dafür, dass Kinder zum Sinn des Lebens gehören, ein großer Reichtum sind und Freude bereiten." Erst kürzlich hatte der Chef der nordrhein-westfälischen Senioren-Union, Leonhard Kuckart, mit einem Vorstoß gegen Kinderlärm in Wohngebieten für Aufregung gesorgt.

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7 Kommentare

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  • M
    Mutti

    Liebe Karin Haertel, ich hab mal eine Frage von Mutti zu Nicht-Mutti: Wie, bitte, soll ich einem Baby oder Kleinkind erklären, dass es ruhig sein soll, wenn die NachbarInnen schlafen/lesen/fernsehen wollen? Soll ich das Kind

    a) mit Schlaftabletten ruhig stellen

    b) verpügeln

    c) zur Adoption freigeben?

    Kinder sind nicht laut, weil sie Ihnen auf den Wecker gehen wollen, sondern weil sie es nicht anders können. Das muss man einfach akzeptieren. Haben Sie als Kind immer in der still in der Ecke gesessen und nie geweint oder gelacht?

  • KH
    Karin Haertel

    Ein Gesetzt fuer jene Eltern, die ihren Kindern aqufgrund des eigenen fehlenden guten Benehmens selbst keines beibringen koennen oder wollen.. In jedem Alter hat man zu lernen, dass man Ruecksicht - auf was auch immer - zu nehmen hat. Lernt ein Kind das nicht fruehzeitig, wird es auch in der Schule nichs lernen, weil es niemals lernen musste, still zu sitzen.

  • F
    Frank

    Geraeusche von Kindern werden erlaubt.

    Haette ja auch, und das ist kein Scherz, anders kommen koennen.

     

    Die Dankbarkeit oder Freude die hier losbricht, ist unbegruendet.

    Wenn man erst, bei wem auch immer, die Erlaubnis -beantragen- muss, dass Kinder laut sein duerfen, ist PRINZIPIELL etwas faul.

  • T
    Toaotc

    Wie pervertiert ist eigentlich die deutsche Rechtslandschaft, in der man nach 60 Jahren des Bestehens der Bundesrepublik gesetzlich regeln muss, dass Kinder laut sein dürfen?

     

    Soviel zum Thema Bürokratieabbau.

  • RW
    Ralf Wünsche

    In einer mehr tierfreundlichen aber kinderfeindlichen deutschen Mehrheitsgesellschaft ist das ein richtiges Signal !

     

    Wenn in Deutschland Lärm gibt der " bekämpft " werden muss ist dieses PKW , LKW und Motorrad-

    läm !

     

    Aber bei einer so kinderfeindlichen Gesellschaft

    kann wohl nur noch per Gesetz erreichen

  • K
    Klaus

    Na also, es gibt also doch noch so etwas wie Verstand in dieser Regierung. Ein weiterer Schritt hin zu einer kinderfreundlicheren Gesellschaft. Ich wundere mich aber immer wieder, dass nur von Kindern die Rede ist. Kinder haben die unangenehme Eigenart, größer zu werden - und was wird für Jugendliche getan?

  • S
    Schmu

    Bei "gegen den Kinderlärm wehren" habe ich aufgehört zu lesen.

    Ist doch Wahnsinn wie ihr Deutschen tickt.

    Da ist Hopfen und Malz verloren...