Ufo gelandet

Yoga in Wolfsburg: Heute wird das Phaeno eröffnet. Die Experimentier- und Spiellandschaft auf zehn Stelzen sprengt sich in die Mittelmäßigkeit der Autostadt

aus Wolfsburg Kai Schöneberg

Der Bahnhof muss weg. Die Spitze des Phaeno zeigt direkt auf das Wolfsburger Empfangs- und Abreisegebäude. In seiner ganzen Kläglichkeit kümmert der Zweigeschosser mit den erdfarbenen Kacheln und braunen Fenstern nun wenige Meter neben dem neuen Wolfsburger Schmuckkästchen. Das fast Barrackige, Zwischenzeitliche von Bahnhof, Cinemaxx, Bürobauten und die fast unwidersprechbare Würde des Science Centers – das ist wie Frittenbuden neben dem Empire State. Und wohl der künftige Reiz der Ende der 30er Jahre gegründeten Retortenstadt am Mittellandkanal. Heute wird das Phaeno, die Experimetier- und Spiellandschaft auf zehn Stelzen, nach viereinhalb Jahren Bauzeit in Wolfsburg eröffnet.

Draußen dampft der Bitumen, Kabel liegen herum, Bauarbeiter schwitzen. „Es gibt noch ein paar Sachen, die wir tunen müssen“, sagt die Londoner Architektin Zaha Hadid, die den Glanz in die Stadt der VW-Malocher geholt hat. Mit einem „wonderful“ winkt Oberbürgermeister Rolf Schnellecke die Pritzker-Preisträgerin heran, lobt ihren „Edelstein“, das „Jahrhundertbauwerk“ und spricht davon, dass das Phaeno die Stadt „ein Stück aus der Monostruktur der Automobilwirtschaft“ befreien soll.

Hadid wirkt erkältet, aber zufrieden und erzählt von den zwei Dimensionen, in denen das neue Science Center wirken soll: von außen und von innen. Die Stelzen und die aufliegende Platte, die Grundelemente, aus denen das Phaeno direkt gegenüber von VW-Werk und Autostadt konstruiert ist, dürften den knapp 200.000 Besuchern pro Jahr das Gefühl vermitteln, ein Raumschiff sei mitten in der niedersächsischen Tiefebene gelandet. Das Interieur, der 9.000 Quadratmeter große Ausstellungsraum mit seinen 250 Experimentierstationen, wirkt geleckter als der spröde Sichtbeton mit den Leuchtwaben außen, aber nicht minder spektakulär.

Der Besucher gleitet auf Rolltreppen hoch in die Architekturlandschaft mit ihren Wogen, Emporen und Abgründen, oben thront ein Himmel aus Stahlskeletten. Hier warten Scheiben-Stroboskope, marienkäferartige Plastikroboter, Plasmakugeln und Luftbilder auf neunmalkluge Besucher. Die Stationen haben kurze Erklärtexte auf deutsch und englisch. Erfunden hat das alles Kurator Joe Ansel, der schon vor 28 Jahren das erste Science Center in San Francisco bestückte.

Im Wettstreit mit ähnlichen Häusern in Bremen oder Flensburg geht Wolfsburg nun mit dem angeblich größten Feuertornado der Welt und einen auf einem Luftpolster fliegenden Teppich ins Rennen „Du siehst aus wie ein bekifftes Äffchen“, sagt einer der Wolfsburger Schüler, die zur Präsentation für die Presse wie zufällig die Anfass-Exponate garnieren. Zwei Jungs sitzen sich in orangen 60er Jahre-Sesseln gegenüber. Sie tragen Elektroden-Stirnbänder, auf einem Tisch steht ein Bildschirm, der die Gehirnbewegungen der beiden anzeigt. Außerdem bewegt sich auf dem Tisch eine Metallkugel in die Richtung desjenigen, der am Aufgeregtesten ist – das ist das neue Gehirn-Mikado. Oder Wolfsburg-Yoga. Gleich nebenan spielen die Kids Menschen-Hau‘n-den-Lukas. Springt eine Ampel auf grün, dürfen sie volles Karacho gegen eine Gummimatte rennen, ein Bildschirm zeigt an, wer dabei die größte Wucht hat.

Spaßig ist auch das Buchstaben-Tennis. Oder die Leinwand, an der man mit den projezierten Luftblasen spielen kann, das rote Riesenrohr, das verschiedene Echo-Arten hörbar macht. Summa summarum: Spielwütige dürften hier einen halben Tag lang eine Mordsgaudi erleben.

Oberbürgermeister Schnellecke schreitet mit stolzer gestreckter Brust durch die Halle. 80 Millionen Euro hat die Wolfsburger Wuchtbrumme, nach Angaben der Aussteller das größte Science Center Deutschlands, gekostet. VW sitzt mit im Boot, weil der Konzern sich natürlich Synergien für die fußläufige Autostadt erhofft. Den Löwenanteil brachte aber die Stadt auf, die auch die Mehrheit an der Stiftung besitzt, die das Phaeno betreiben soll.

Geplant wurde alles zu einer Zeit, als es VW besser ging als heute und die Steuereinnahmen sprudelten. Schnellecke: „Nein, sowas würden wir derzeit nicht mehr anfangen.“

www.phaeno.de Öffnungszeiten: Di - So 10 - 18 Uhr. Preise: Erwachsene 11 Euro, Kinder 7,50 Euro, bis sechs Jahre umsonst