Neues EU-Instrument "Projektanleihen": Teure Trassen suchen Kapital
Europas braucht neue Infrastrukturen: Trassen und Stromnetze. Sie sind teuer und die Konzerne wollen nicht investieren. Nun versucht es die EU mit "Projektanleihen".
HAMBURG taz | Die EU-Kommission möchte privaten Investoren unter die Arme greifen, wenn sie in Straßennetze, Pipelines oder in Trassen zur Anbindung von Offshore-Windparks investieren. Der für Wirtschaft und Währungen zuständige Kommissar Olli Rehn stellte am Montag ein neues Finanzierungskonzept vor. Mit sogenannten Projektanleihen will die EU-Kommission künftig Großprojekte anstoßen und mitfinanzieren.
Rehns Idee: EU oder Mitgliedstaaten sollen milliardenschwere Anleihen ausgeben und mit dem auf den Kapitalmärkten eingesammelten Geld Infrastrukturprojekte mitfinanzieren, die ansonsten Private errichten. Die Kommission und die Europäische Investitionsbank würden dadurch "einen Teil des Projektrisikos übernehmen", hieß es in Brüssel.
Und weitere Investitionen der Konzerne kämen billiger, weil diese durch die Partnerschaft ein besseres Rating erhielten und weniger Zinsen zahlen müssten. Europa müsse investieren, die Staatskassen seien aber klamm, so Rehn: "Finanzinstrumente sollten bei der Finanzierung von Projekten im öffentlichen Interesse eine größere Rolle spielen." Dazu müsse man Projekte "für Kapitalmarktanleger interessant" machen.
Die EU setzt vor allem auf Wirtschaftswachstum. Entsprechend sieht ihre Strategie "Europa 2020" in den kommenden Dekaden Rekordinvestitionen von 1,5 bis 2 Billionen Euro in die europäischen Verkehrs-, Energie-, Informations- und Kommunikationsnetze vor. Die Kommission schätzt, dass allein für Strom aus Wind und Sonne bis 2020 Leitungen für rund 200 Milliarden Euro gebaut werden müssen. Teuer dürften ebenfalls Großprojekte wie Nabucco werden. Mit dem von der EU unterstützten Pipelineprojekt sollen die reichen Erdgasreserven im Kaspischen Meer und Mittleren Osten mit Westeuropa verbunden werden. Zudem sollen Straße, Schiene und Binnenschifffahrt zu einem transeuropäischen Netz ausgebaut werden.
Struktur in private Hände
Mit seiner staatlichen Hilfsfinanzierung verabschiedet sich Rehn weiter von staatlicher Infrastruktur und will stattdessen dem unwilligen Kapital auf die Sprünge helfen. Vor allem Energietrassen sollen privat gebaut und betrieben werden. Für gewinnverwöhnte Energiekonzerne werfen die staatlich regulierten Netze jedoch zu niedrige Profite ab. Sie konzentrieren sich daher lieber auf die Förderung und Produktion von Öl, Gas und Strom.
In die Lücke springen Fonds und Versicherungen wie die Allianz, die an sicheren und berechenbaren Renditen interessiert sind. Sie wollen aber ungern in neue Netze investieren, so der Hamburger Unternehmensberater Christian Gotthardt, weil ihnen das Risiko zu groß ist. Neubauprojekte verschieben sich nun einmal schnell um ein, zwei Jahre, wenn es überraschende technische Probleme gibt oder die örtliche Bevölkerung protestiert. Mit Widerstand ist auch gegen das neue Finanzierungsmodell zu rechnen. Einige Staaten haben ihren Unwillen schon signalisiert.
Leser*innenkommentare
Gerhard Behrens
Gast
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Zuletzt heißt es, solche Großprojekte verschieben sich nun einmal, auch wegen des Widerstands der Bevölkerung. Das sieht in Norddeutschland, wo Erdverkabelung angemessen ist, ganz anders aus als z.B. in Thüringen. Die Trasse Erfurt-Redwitz über den Rennsteig hat nichts mit erneuerbaren Energien zu tun. Hier will Vattenfall Strom aus Braunkohlekraftwerken (in der Lausitz) durchleiten und verweigert sich dem Weltstand der Technik. Und dem politischen Unterstützer Minister Machnig ist eine plattgemachte Branche Tourismus entlang der Trasse ziemlich egal. - Ein Aufrüsten bestehender Trassen ist billiger, aber wenn alles auf die Kunden abgewälzt werden kann, spielen ja die Kosten für Vattenfall keine Rolle.