Exotik im Archipel

Ab Sonntag streiten über 5.000 Athleten bei den südostasiatischen Spielen auf den Philippinenum Medaillen. Bis zuletzt war nicht klar, ob das Großereignis überhaupt stattfinden kann

AUS MANILA HILJA MÜLLER

Sie sind das größte Sportspektakel Südostasiens, die South East Asian Games (SEA Games), und sie bescheren den Veranstaltern in der philippinischen Hauptstadt Manila seit geraumer Zeit schlaflose Nächte. Minimales Budget, Sicherheitsbedenken, Transportprobleme, Vogelgrippe – lange sah es nach einer Absage aus. „Es war ein hartes Stück Arbeit, aber wir können die Spiele wie geplant am Sonntag eröffnen“, ist Cheforganisator José Cojuangco erleichtert.

Mehr als 5.000 Athleten aus elf Nationen kämpfen vom 27. November bis 5. Dezember um 1.320 Medaillen in vierzig Sportarten. Die Wettkampfstätten sind auf mehrere Inseln des Archipels verteilt, „damit möglichst viele Landsleute die Spiele live sehen können“, so Cojuancgo. Bereits seit 1959 finden die SEA Games im Zweijahresrhythmus statt; der Gastgeber wird in alphabetischer Folge bestimmt.

Auf den ersten Blick ein ganz normaler internationaler Wettkampf, unterscheiden sich die Südostasienspiele doch sowohl organisatorisch als auch sportlich gravierend von typischen Wettbewerben in Industrieländern. Die Veranstaltungstabelle listet zwar einige klassische Sportarten auf wie Leichtathletik, Schwimmen, Reiten oder Fechten. Daneben finden sich aber jede Menge Randsportarten wie Billard, Bowling, Softball oder Schach. Prägend für die SEA Games sind indes die Exoten: die Stockkampfart Arnis, der Schwertkampf Wushu, der Mann-gegen-Mann-Kampf Muay oder das Ballspiel Sepak Takraw.

Dem jeweiligen Ausrichter ist es überlassen, Zahl und Art der Wettkämpfe vorzuschlagen. Die Philippinen haben dabei etwas zu ihren Gunsten übertrieben: Einige der teilnehmenden Nationen äußerten ihren Unwillen darüber, dass einige Sportarten den Gastgeber favorisierten. Entsprechende Korrekturen mussten gemacht werden.

Die Ergebnisse der Wettkämpfe werden in der Sportwelt ohnehin kein Aufsehen erregen. So dürfte der schnellste 100-Meter-Sprinter im Zwölfsekundenbereich laufen. Zum Vergleich: Der Amerikaner Justin Gatlin raste bei der diesjährigen WM in 9,88 Sekunden ins Ziel. „Wir wissen, dass unsere Athleten mit den großen Sportnationen nicht mithalten können. Genau deswegen sind die SEA Games ja so wichtig. Hier können Sportler aus der Region internationale Wettkampfluft schnuppern, persönliche Rekorde aufstellen und Selbstvertrauen sammeln. Wo sonst können denn talentierte Athleten aus Osttimor oder Brunei sich auf größere Aufgaben vorbereiten?“, erklärt Mauricio Martelino vom Organisationskomitee. „Es ist doch besser, bei den SEA Games zu siegen, als bei der WM nach dem Vorlauf Tourist zu sein.“

Zudem sei es für die südostasiatischen Athleten eine „große Ehre“ im Nationalteam zu stehen. „Ich glaube, dass ist anders als in reichen Ländern. Unsere Kadersportler erhalten vom Staat nur 125 Euro im Monat, dicke Siegesprämien sind nicht drin. Keiner beklagt sich darüber, auch nicht über veraltete Trainingsanlagen. Natürlich hoffen alle, als Superstar später auch gut bezahlte Werbeverträge zu bekommen. Aber ohne viel, viel Leidenschaft geht es in armen Ländern nicht“, weiß Martelino.

„Die Grundidee der Spiele ist, südostasiatischen Sportlern ein Sprungbrett für größere Wettkämpfe zu bieten und die Freundschaft zwischen unseren Ländern zu vertiefen“, ergänzt Cheforganisator Cojuangco. Trotzdem wird im Vorfeld der Spiele mit den Säbeln gerasselt. Die Presse in Thailand, Malaysia und Singapur schwört ihre Leser seit Wochen darauf ein, in welchen Sportarten einheimische Athleten die größten Chancen haben. Vietnam listete achtzig Sportler auf, von denen eine Goldmedaille erwartet wird. „Wir wollen wie 2003 die Krone der Spiele gewinnen“, sagt Delegationsleiter Nguyen Hong Minh.

Härtester Konkurrent ist wohl der Gastgeber, der mit 892 Athleten das größte Team an den Start schickt. „Ganz klar, wir haben den Ehrgeiz, im Medaillenspiegel ganz oben zu stehen“, sagt Cojuangco. Doch eine sicher geglaubte Goldmedaille ist bereits futsch. Ausgerechnet Basketball, der philippinische Nationalsport, wird nicht ausgetragen. Wegen Streitigkeiten zwischen dem nationalen Verband und dem Olympischen Komitee wurde die Disziplin kurzfristig abgesagt. Für das Land ein Schock, für die betroffenen Sportler eine Katastrophe. Doch die philippinischen Basketballerinnen zeigen Sportsgeist. Statt für ihr Land zu punkten, helfen die groß gewachsenen Ladys jetzt im Pressezentrum aus.