Das Nachkriegswunder

In „Knef – Die frühen Jahre“ zeigt der WDR den Wandel der Filmdiva zur kämpferischen Demokratin (23.30 Uhr)

Neulich strahlte die ARD eine Dokumentation zum Leben (und Tod) der Hildegard Knef aus, die durchaus die zwiespältigere Seite der größten deutschen Nachkriegsberühmtheit beleuchtete. Die Dokumentation, die Felix Moeller („One Day In September“) nun gefertigt hat, verdichtet die Mutmaßungen über die Sängern, Schauspielerin, Entertainerin und Selbstdarstellerin erheblich: Dem Autor geht es um die frühen Jahre der Knef – um die Zeit zwischen 1943 und 1952, als sie ein energisches, ehrgeiziges Talent war und dann unter politisch anderen Vorzeichen diese Begabung retten wollte.

Moeller hat sich besonders um die, so sagte die Knef selbst, erste große Liebe ihres Lebens gekümmert – um Ewald von Demandowsky, Nationalsozialist durch und durch sowie unter Joseph Goebbels einer der einflussreichsten Kader der braunen Filmindustrie. Und zugleich, als steter Gegenschnitt, um Kurt Hirsch, amerikanischer GI, sudetendeutscher Jude, der durch den Holocaust die meisten seiner Verwandten verloren hat und erster Ehemann der Knef war. Goebbels fand sie übrigens, das ist schriftlich durch ihn selbst notiert, des Aufstiegs für würdig: Sie sei „nett“. Das aber, protestieren ihre Wegbegleiter, war sie nun gar nicht, sondern entschlossen, ehrgeizig, rücksichtslos, arm an jedwedem Mitgefühl – eine Frau, die ihren Weg zu gehen beanspruchte.

Auch dieser Beitrag kann nicht klären, ob die Knef nun eine Opportunistin war, als sie vom Nazikram auf die neuen Zeiten umschaltete. Aber es wird eher verständlich, wie es ihr, wie es sehr vermutlich den meisten Deutschen nach dem jähen Ende des auf tausend Jahre angelegten braunen Projekts erging. Es war ein schwer verdaulicher, schuldgefühlbeladener Schock, der viele Jahrzehnte brauchte, ehe er zum Begriff wurde: Du warst auch dabei, beim Holocaust, und durftest trotzdem weiterleben.

Demandowsky ist, das wird zum Finale dieser famosen Dokumentation erhellt, 1946 von den sowjetischen Besatzern in Berlin (irrtümlich, wie es inzwischen heißt) hingerichtet. Der Knef wird dies auf ihre Weise immer als Alptraum vorgekommen sein: Das hätte auch ihr blühen können. Eine ehrgeizig Davongekommene, die sich, in ihrem gesamten Oeuvre, moralisch zur liberalen, kämpferischen Demokratin wandeln konnte und wollte. Ein deutsches Nachkriegswunder? Auch dies.

Was die Dokumentation aber so interessant macht, ist in erster Linie, dass sie televisionär die Linien einer neuen vergangenheitspolitischen Epoche vorzeichnet: Die Holocaust-Ära ist weitgehend abgearbeitet – jetzt geht es um den Diskurs zu den Übergangsjahren. Knef ist keine schlechte Ikone, dieses „Mystère“ (Ex-Gatte Cameron) zu erhellen. JAN FEDDERSEN