DER BUNDESTAG SOLLTE SICH FRÜHER UM EU-ENTSCHEIDUNGEN KÜMMERN
: Lehren aus dem Haftbefehl

Gestern hat Justizministerin Zypries einen neuen Gesetzentwurf für die Umsetzung des EU-Haftbefehls in Deutschland vorgelegt. Großen Streit wird es darum vermutlich nicht mehr geben, denn im Wesentlichen baut sie nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in das Gesetz ein, das Karlsruhe im Juli für nichtig erklärt hatte. Die Auslieferung von Deutschen ins EU-Ausland bleibt damit zwar grundsätzlich möglich, wird aber ausgeschlossen, wenn die Tat überwiegenden Bezug zu Deutschland hat.

Mit diesem Gesetzentwurf nutzt Zypries die Spielräume, die der EU-Rahmenbeschluss zum gemeinsamen Haftbefehl durchaus gelassen hat. Allerdings sollte sich niemand auf solche Möglichkeiten für das nationale Umsetzungsverfahren verlassen. Viel wichtiger ist es, dass sich Bundestagsabgeordnete, Medien und juristische Fachöffentlichkeit auch schon um das Entstehen von EU-Vorgaben kümmern. Diese fallen schließlich nicht vom Himmel, sondern sind das Ergebnis eines meist langwierigen Aushandlungsprozesses zwischen den nationalen Regierungen. Die Brüsseler EU-Kommission macht zwar die Vorschläge für EU-Recht, beschlossen wird es aber von den nationalen Ministern im Rat.

Und in dieser Brüsseler Phase ist auch für den deutschen Bundestag Gelegenheit zur Einflussnahme. Seit 1993 sieht das Grundgesetz vor, dass das Parlament Stellungnahmen zu den auf EU-Ebene diskutierten Projekten abgeben kann. Und laut Ausführungsgesetz muss die Bundesregierung solche Aufträge ihren Verhandlungen „zugrunde legen“. Die Position des Bundestags ist also beachtlich stark.

Allerdings interessieren sich die wenigsten Berliner Abgeordneten für das Geschehen in Brüssel. Sie jammern lieber anschließend, wenn sie die EU-Vorgaben in nationales Recht umsetzen sollen. Das ist bequem und findet stets das Verständnis bei Bürgern und Medien, denen die EU-Politik auch zu kompliziert ist. Daran wird sich wohl nur etwas ändern, wenn Medien früher und ausführlicher über Europapolitik berichten. CHRISTIAN RATH