BRECHT HAT RECHT
: Sag niemals nie

Ich wache auf und versuche die Blutung zu stillen

Gestern habe ich sie mal wieder gesehen, die Geldkoffer. An der Ecke Eberswalder Straße/Schönhauser Allee stand der Geldtransporter vor der Berliner Bank. Zwei Wachmänner beobachteten aufmerksam die Umgebung. Ein dritter Wachmann mit den metallenen Geldkoffern aus der Bank. Sobald ich die Wachmänner und den Geldtransporter sehe, denke ich an Verbrechen. An mein Verbrechen.

Kann doch nicht schwer sein, so ein Banküberfall. Man muss ja nicht gleich einen Tunnel bauen. Einfach mit einer Gesichtsmaske und Spielzeugpistole hin, den Standardspruch „Hände hoch, Geld her!“ sagen und schwuppdiwupp mit den Geldkoffern auf dem Fahrrad Richtung Mauerpark abhauen oder schnell die Treppen hoch zur U2 und Tschüss. Ab ins Ausland. Einmal im Leben Bankräuber sein, das wäre doch mal was. In Brechts „Dreigroschenoper“ gibt es doch diese wunderbare Passage: „Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?“ Recht hat er, der Brecht. Ausrauben sollten wir sie, die Banker, die Finanzhaie, die Reichen und die Spekulanten.

Also los, worauf warte ich noch? Wäre da nur nicht dieser Traum, der mich bereits seit Jahrzehnten verfolgt. Im Traum raube ich eine Bank aus. Der ganz große Coup. Mein Plan geht auf, alles funktioniert. Als ich die Bank mit dem Geld verlasse, verfolgen mich zwei Bullen. Wir sind auf einem matschigen Feldweg, es ist Nacht und dann fallen die Schüsse. Ich werde getroffen, blute. Der Einschuss liegt unterhalb meines Herzens. Ich wache auf – mit meiner rechten Hand versuche ich die Blutung zu stillen. Ich blute nicht – war ja nur ein Traum. Aber der macht mir Angst.

Als der Geldtransporter wegfuhr, habe ich ihm sehnsüchtig hinterher geschaut. Das mit dem Banküberfall wird in diesem Leben wohl nichts mehr. Aber man soll ja bekanntlich niemals nie sagen. ALEM GRABOVAC