piwik no script img

Landtagswahl Rheinland-PfalzBeck wird begrünt

Die SPD gewinnt, dicht gefolgt von der CDU. Kurt Beck braucht nun die Grünen als Koalitionspartner, die mit über 15 Prozent der Stimmen wieder in den Landtag einziehen konnten.

SPD-Ministerpräsident Kurt Beck (l.) mit seinen wahrscheinlichen Regierungspartnern Eveline Lemke and Daniel Koebler von den Grünen. Bild: reuters

Kurt Beck (62) darf die Karre in Rheinland-Pfalz noch fünf Jahre lang weiter ziehen. Weil die Karre - einst Herbert Wehners Synonym für Staat und Wahlvolk - es so will.

Beck als Chef der immer noch stärksten Partei, die offenbar für diverse Skandale und Affären der Landesregierung mit Verlusten in Höhe von zehn Prozentpunkten abgestraft wurde, hat wieder den Auftrag zur Bildung einer neuen Landesregierung erhalten. Denn die Grünen, die sich schon gleich nach dem atomaren Desaster in Japan für eine Koalition mit der SPD ausgesprochen hatten, wurden aus dem Nichts heraus - die Partei schaffte in der vergangenen Legislaturperiode mit 4,6 Prozent nicht den Einzug in den Landtag - nach oben katapultiert.

Grenzenloser Jubel bei den Grünen. Und erst einmal "Freude pur". Allerdings: Die rheinland-pfälzische Bundestagsabgeordnete Ulrike Höfgen relativierte gleich danach die Koalitionsaussage der beiden Spitzenkandidaten Lemke und Köbler zugunsten der SPD kurz vor der Wahl. Die Gremien müssten zunächst tagen, sagte sie. Und wenn es ein Gesprächsangebot der CDU geben sollte, werde man das nicht ausschlagen.

Ergebnis

Vorläufiges amtliches Endergebnis

SPD 35,7 % (42 Sitze)

CDU 35,2 % (41 Sitze)

GRÜNE 15,4 % (18 Sitze)

FDP 4,2 % (-)

LINKE 3,0 % (-)

Auf der Grünen-Feier finden Basisleute das "befremdlich". Mit der Atompartei CDU verhandeln? "Nicht mit uns", heißt es. Dass Becks Herausforderin Julia Klöckner (CDU) nicht so schlecht wie prognostiziert abgeschnitten hat (plus 2,5 Prozentpunkte), löst dann sogar bei der Union "gedämpfte Feierlaune" aus, wie eine Landtagsabgeordnete lächelnd anmerkte. Klöckner freute sich denn auch über die "massiven Einbrüche" der SPD. Und darüber, dass die CDU gegen den Bundestrend an Rhein und Mosel zugelegt habe. "Die CDU in Rheinland-Pfalz ist wieder da."

Die Grünen jedenfalls sind die eigentlichen, am Ende verdienten Profiteure der atomaren Katastrophe in Japan und der Ausstiegsdebatte im Heimatland von Rainer Brüderle (FDP). Die Partei des Bundeswirtschaftsministers, der sich vor Industriemanagern in der Abschaltdebatte verräterisch arg verplapperte, wurde brutal abgestraft und kommt mit 3,9 Prozent nicht mehr in den Landtag. Ihr Landeschef Herbert Mertin wünschte seinen - letzten - Getreuen enttäuscht und zynisch einen "schönen Abend".

Schon jetzt ist Beck mit fast 16 Regierungsjahren der dienstälteste Ministerpräsident der Republik. 2016 wird er ein Vierteljahrhundert an der Macht gewesen sein. Die Worte des knorrigen Altvorderen Wehner von der Karre jedenfalls zitierte Beck im Wahlkampf zuletzt häufig. Und er bettelte die Rheinland-Pfälzer um den Verbleib an der Deichsel der Karre geradezu an. Weil ihm sein Job doch so viel Freude bereite, wie er immer wieder betonte. Und weil er das Land - ein bisschen Eigenlob darf sein - doch auch vorangebracht habe. Unter die Top drei bei der Arbeitslosenstatistik etwa. Nur Bayern und Baden-Württemberg haben da noch die Nasen vorn. Und auch in der Bildungspolitik sei Rheinland-Pfalz "spitze", meint Beck, auch wenn die Grünen gerade auf diesem Feld Reformbedarf anmelden und vielleicht auch Verantwortung für das Kultusressort übernehmen wollen.

Was aber wird dann aus Ministerpräsident Becks gefeierter Kultusministerin Doris Ahnen? Für den grünen Spitzenkandidaten Daniel Köbler sind die Klassen in allen Schulformen und auch die Kindergartengruppen noch immer zu groß. Und es gebe viel zu wenig Gesamt- und Ganztagsschulen im Lande von "König Kurt".

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • WB
    Wolfgang Bieber

    Die Wahlergebnisse in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz machen eine Neubetrachtung der deutschen Parteienlandschaft nötig. 8 Lehren vom Sonntag: http://bit.ly/f8UWtN

  • F
    FAXENDICKE

    Den Banken, Versicherungen und Konzernen geht es doch am Arsch vorbei wer unter ihnen regiert. Alles bloß Show um dem Michel wenigstens ein Gefühl von Mitsprache zu vermitteln.

    In einer wirklichen Demokratie gäbe es Vollbeschäftigung, wenn nicht anders möglich bei, einer 30 Stundenwoche, Mindestlöhne von mindestens 12 Euro, und insbesondere die Renten wären im Schnitt mindestens so hoch wie Pensionen (für die nie eingezahlt wurde) also 2500,-Euro monatlich.

    Umverteilung von OBEN nach UNTEN ist jedoch mit Lobbyistenknechten, aus CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNE in Teilen auch bei den LINKEN unmöglich. Somit werden die REICHEN immer reicher, die ARMEN immer ärmer. Zeitarbeit und Dumpinglöhne haben sich längst etabliert, Hartz IV wird als Streikbremse künstlich hochgehalten, Fachkräfte bekommt man billiger im Ausland, Armutsrentner werden immer mehr und müssen finanziell in menschenunwürdigen Verhältnissen leben bis zum Tode, denn im Gegensatz zum Hartzer haben die keine, wenigstens theoretische, Möglichkeit der Armutsfalle zu entfliehen. Mehr haben die etablierten vom Kapital gesteuerten und gemästeten, längst übersättigten und überfressenen Parteien nicht zu bieten, als immer mehr Armut und immer mehr unverhältnismäßiger Reichtum. Absichtlich und bewußt läßt man die Steuerbetrüger ihr Schwarzgeld ausser Landes schaffen. Da werden Hundertschaften an Polizei und Grenzschutz aufgeboten um kleine pooplige Kiffer zu kriminalisieren, derweil jährlich weit über 100 Milliarden Euro an der Steuer vorbei über die Grenzen geschafft werden. Da ist dann plötzlich kein Personal da. Aber bei uns MICHELS muß ja scheinbar immer erst alles zusammenbrechen bis das Volk den Mumm aufbringt zu rebellieren.

  • BR
    B. Rechner

    "Schon jetzt ist Beck mit fast 16 Regierungsjahren der dienstälteste Ministerpräsident der Republik. 2016 wird er ein Vierteljahrhundert an der Macht gewesen sein."

     

    Bruchrechnung üben wir doch lieber nochmal :-)

  • S
    Sandhase

    Die Wahl war eine verdiente Ohrfeige für Kurt Beck und die SPD – schön. Aber leider wird sich bei diesem Wahlausgang wenig ändern in RLP. Die SPD Seilschaften können weitermachen wie bisher. Auch die nächsten fünf Jahre wird es keine wirkliche Opposition geben. Das ist sehr enttäuschend.

  • B
    BiBo

    Liebe/r EuroTanic,

     

    das mag Deine Ansicht sein, sicherlich nicht meine. Ich sehe die Parteien mittlerweile zwar auch als recht aehnlich an, und habe auch bei der letzten NRW Wahl eine andere als diese genannten gewaehlt (weder NPD noch Linke) ABER fuer die Mehrheit scheinen noch wahlrelevante Unterschiede zu existieren. Das ist ok, jeder hat die freie Wahl und die freie Meinung dazu. Ob es besser oder schlimmer geworden ist, liegt immmer im Auge des Betrachters.

     

    Und jeder, der ein Funken Demokratieverstaendnis hat, sieht das aehnlich. Wuerden viel mehr Menschen die Grauen oder die Piraten oder was weiss ich, die MickyMaeuse waehlen, so saehe die Politik natuerlich auch anders aus.

     

    Tun sie aber nicht. Das ist doof fuer die einen, vor allem fuer die Mitglieder dieser Parteien, aber so isses nun mal. Das Schoene ist, dies zu veraendern jeder in der eigenen Hand (oder im Stift hat). Wenn man der Ansicht ist, die etablierten Parteien bringen nichts mehr, so steht es jedem frei (im Vergleich zur uebrigen Welt ein sehr hohes und wertvolles Gut) sich in einer anderen Partei zu engagieren oder eine neue zu gruenden. Und dann muss man die Menschen ueberzeugen. Wenn dies nicht passiert, so darf man sich nicht schmollend und beleidigt in eine Ecke zurueck ziehen, sondern muss die Spielregeln der Demokratie akzeptieren.

  • G
    glas

    Ausgerechnet die Hartz4-Koalition gewinnt überall die Wahlen. Das zeigt, daß es immer noch schlimmer geht.

  • R
    Rod

    Danke EuroTanic für den Kommentar. Alle Politiker sind nichts weiter als die große Kolaition der Diätenabzocker.

    Ich will nicht regiert werden und ich brauche keine Politiker. Ich will selbstverantwortlich und selbstverwaltet ohne irgend eine Hierarchie leben.

     

    Es sind doch nur verantwortungslose Leute, die Politiker brauchen, damit sie jemanden für ihre Lage beschimpfen können. Die Leute gehen zur Wahl, weil sie ihre eigene Verantwortung nicht tragen wollen und damit handeln sie sich so ein Politikerpack ein.

     

    Es lebe die Anarchie - das bedeutet Selbstorganisation und Ordnung statt dem Chaos, das Politiker und Regierungen verursachen.

  • S
    Slobo

    @EuroTanic: Ich muss hier zustimmen. Ändern wird sich nach den Landtagswahlen wahrscheinlich kaum etwas - es gibt wahrscheinlich erstmal eine Menge heiße Luft und dann passiert nix. CDU, SPD, FDP und Grüne kann man fast nicht mehr unterscheiden.

  • E
    EuroTanic

    Wie in der DDR?

    Liebe Michels, lasst euch doch nicht für dumm verkaufen. Heute habt die Einheitspartei CDU/CSU/FDP/SPD/GRÜNE wieder ein mal über 90% der Stimmen gewonnen. Wie zu besten DDR Zeiten. Warum glaubt ihr diesem Polit- und Medientheater, dass der eine gewonnen, und der andere abgestraft wurde? Seit mehr als 5 Jahrzehnten hat es verschiedene Regierungen, Koalitionen und grossen Koalitionen gegeben. Und was hat sich verändert? Nichts. Für die Wähler ist es immer schlimmer geworden, egal ob CDU oder SPD allein oder in bunten Durcheinander regierten. "Die da oben" sind sich doch alle einig, die feiern und ihr dürft bezahlen. Die einzige Alternative wären die kleinen Parteien gewesen, mit echten Veränderungen. Aber "Experimente" wollt ihr ja nicht, da akzeptiert ihr lieber alle 4 Jahre weiter das alte "Regime". Wenn Wahlen was ändern würden wären sie verboten.