Matthias Platzeck will seine Ruhe

STREIT ÜBER NACHTFLUGVERBOT

Platzeck hat etwas getan, was in der Politik selten ist: Er hat seine Meinung geändert

Wer Matthias Platzeck einmal beim Wahlkampf erlebt hat, weiß, dass er dem Volk gern aufs Maul schaut. Der Brandenburger Ministerpräsident ist ein Instinktpolitiker, einer, dem die Menschen ebenso wichtig sind wie die Bilanzen der Firmen mit Sitz in Potsdam oder Ludwigsfelde. Bislang galt der SPDler darum als Landesvater. Nun heißen sie ihn einen Populisten.

Matthias Platzeck hat etwas getan, was in der Politik selten ist: Er hat seine Meinung geändert. Überraschend hat er am Dienstag bekannt gegeben, dass seine rot-rote Landesregierung das Volksbegehren für ein Nachtflugverbot unterstützen wird. Am neuen Airport BER wäre im Erfolgsfall zwischen 22 und 6 Uhr Ruhe und nicht, wie bislang mit Berlin und dem Bund vereinbart, nur zwischen 0 und 5 Uhr.

Platzeck wird den „BER-Storm“, der seitdem auf ihn niederprasselt, vorausgesehen haben. Er habe den gemeinsamen Kurs verlassen, ätzte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Burkhard Kieker, Chef des Tourismusportals visitBerlin, spricht von Paderborner Niveau, und ein CDU-Abgeordneter nannte Platzeck einen „Dorfgrafen“. Offen wurde die Frage gestellt, ob sich da einer aus dem Amt des BER-Aufsichtsratschefs katapultiere, das Platzeck erst im Januar von Klaus Wowereit übernommen hatte. Damals war er mit den Worten vor die Kameras getreten: „Entweder das Ding fliegt, oder ich fliege.“

Tatsächlich hat Platzeck dem BER am Dienstag einen Bärendienst erwiesen. Nun wird er es noch schwerer haben, einen neuen Flughafenchef zu finden. Und auch die Wirtschaftlichkeit des Airports würde unter einem strengen Nachtflugverbot leiden. Dabei muss der BER viel Geld verdienen, um die Miesen, die er derzeit macht, auszugleichen.

Aber Platzeck hat noch einen anderen Termin im Kopf. 2014 wird in der Mark wieder gewählt. Um nicht da schon zu „fliegen“, streichelt er nun die Wählerseele – und die der Linken. Auf die ist er nämlich auch nach der Wahl angewiesen. Die CDU hat ihm den Bruch der Koalition 2009 noch immer nicht verziehen.

Wäre Brandenburg die USA, würde man Platzeck nun Unilateralismus vorwerfen. Tatsächlich hat er deutlich gemacht, dass ihm „sein Brandenburg“ im Zweifel näher ist als Berlin oder der gemeinsame Flughafen. „Dorfgraf“ ist vielleicht übertrieben, aber der Titel des Markgrafen ist vakant. UWE RADA