Ausstellung über Aufklärung in China: "Gefühle des Volkes verletzt"

Die deutsch-chinesische Ausstellung "Kunst der Aufklärung" eröffnet mit einem Skandal. Die Regierung in Peking verweigert einem Schriftsteller ein Visum.

Hier wird die bisher größte und teuerste deutsche Ausstellung im Ausland gezeigt: Nationalmuseum in Peking. Bild: dapd

PEKING taz | Der Skandal ist schon da, noch bevor das große chinesisch-deutsche Kulturereignis beginnt, zu dem Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Donnerstag eigens nach Peking kam: die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" im Nationalmuseum am Tiananmenplatz, die am Freitag eröffnet wird. Chinas Regierung hat einem Mitglied der deutschen Delegation, dem Sinologen und Schriftsteller Tilman Spengler, das Visum verweigert. Begründung: Spengler sei "kein Freund des chinesischen Volkes".

Damit bestraft das Regime den China-Kenner dafür, dass er in Deutschland eine Laudatio auf den Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo gehalten hatte. Der war 2009 wegen "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Vor Journalisten rechtfertigte Dong Junxin vom Kulturbüro der Stadt Peking die Entscheidung seiner Regierung. Spengler habe "die Gefühle des chinesischen Volkes verletzt". Das alles habe aber nichts mit der Ausstellung zu tun, so Dong, und nichts mit dem Besuch Westerwelles.

Dieser erklärte am Donnerstag, er werde "über den Vorfall" mit seinem Amtskollegen Yang Jiechi am Freitag sprechen. Er bedauere Pekings Entscheidung sehr. Bei einem Treffen mit Vizepremier Li Keqiang am Nachmittag habe er sich bereits für bessere Arbeitsbedingungen ausländischer Korrespondenten in China eingesetzt, die sich über zunehmende Einschränkungen beklagt hatten.

Hoffnungen enttäuscht

Mit Spenglers Einreiseverbot konnte die deutsche Delegation ihre Hoffnungen auf die möglichst konfliktfreie Einweihung eines Projekts begraben, das in Deutschland viel Wirbel ausgelöst hatte: eine Gemeinschaftsschau der staatlichen Museen Berlins, Dresdens und Münchens, die ein Jahr lang 580 Werke aus ihren Sammlungen im gerade neu eröffneten Nationalmuseums zeigen. Darunter sind Werke von Caspar David Friedrich, Goya und Watteau, aber auch ein Selbstporträt von Andy Warhol und ein Holzkopf von Baselitz - als Beispiele für Nachwirkungen der Ideen der Aufklärung bis in die heutige Zeit. Die Schau auf 2.700 Quadratmetern kostet 10 Millionen Euro, wovon Berlin den Großteil zahlt.

Die Gemälde, Grafiken, Möbel, Kleidungsstücke und Geräte aus dem Europa des 18. Jahrhunderts sollen einen Eindruck aus dem Leben in einer Epoche der politischen, sozialen und wissenschaftlichen Revolutionen geben. Martin Roth, Leiter der Dresdner Sammlungen, zitierte Immanuel Kants: "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit". Roth sprach, ebenso wie Bernhardt Lorentz von der nordrhein-westfälischen Privatstiftung Mercator, am Donnerstag sein "Bedauern darüber aus, dass der Sinologe Spengler "nicht hier sein kann". Spengler gehörte zu den Beratern eines von der Stiftung mit 1,5 Millionen Euro finanzierten Begleitprogramms.

Chinesische Medien hatten das Großprojekt in den vergangenen Wochen weitgehend ignoriert. Am Donnerstag veröffentlichte das Parteiblatt Volkszeitung dann ein allgemein gehaltenes Interview mit den Direktoren der drei deutschen Museen. Die europäische Epoche der "Qimeng" (Aufklärung) gilt in China in der Regel nicht als politisch heikel, sondern als Vorläuferin von Wissenschaftlichkeit und von Philosophien wie dem Marxismus.

Die Aufklärungs-Ausstellung ist zwar die größte deutsche Kunstschau, die jemals ins Ausland gebracht wurde. Sie ist aber nur eine von mehreren, die dieser Tage in neu eröffneten Hallen des mit fast 200.000 Quadratmetern weltgrößten Museumsgebäudes gezeigt werden - und sie kommt zu einer Zeit, in der täglich neue Verhaftungen chinesischer Bürgerrechtler bekannt werden.

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