Staatsanwaltschaft ermittelt: Koch-Mehrin bekommt Zweitprüferin
Auf 31 Seiten soll die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin abgeschrieben haben. Nicht nur die Uni Heidelberg, auch die Justiz prüft nun den Fall.
BERLIN taz | Die Plagiatsvorwürfe gegen Silvana Koch-Mehrin (FDP) beschäftigen neben der Universität Heidelberg nun auch die dortige Staatsanwaltschaft. Es werde geprüft, ob ein Anfangsverdacht wegen Urheberrechtsverletzung vorliege, so die Staatsanwaltschaft. Koch-Mehrins Doktorarbeit soll mehrere nicht gekennzeichnete Zitate enthalten.
Die Staatsanwaltschaft Heidelberg betonte, dass kein Strafverfahren gegen die FDP-Politikerin eingeleitet wurde. "Es hat keine Anzeige gegeben, sondern wir sind von Amts wegen selbst tätig geworden", sagte eine Sprecherin. Die Behörde habe von den Vorwürfen aus der Presse erfahren und müsse diesen nun nachgehen. Die Internetplattform VroniPlag will in Koch-Mehrins Arbeit von 2001, "Historische Währungsunion zwischen Wirtschaft und Politik", auf 31 der 200 Seiten Plagiate gefunden haben.
Wie taz.de am Montag berichtete, stammen mehrere aufgedeckte Passagen aus dem Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaften, herausgegeben 1981 von Willi Albers und Anton Zottmann. Koch-Mehrin schreibt beispielsweise: "Ergebnis ist, daß Geld nur als eine Ware [sic!] fungieren kann, die wegen ihres Eigenwertes geschätzt wird. Geld hat demnach selbständigen Gebrauchswert." Im Handwörterbuch ist das so formuliert: "Diese Theorien laufen darauf hinaus, daß als Geld nur eine Ware fungieren könne, die wegen ihres Eigenwertes geschätzt wird, d. h. also, einen unabhängig von der Geldqualität existierenden selbständigen Gebrauchswert hat."
Ein Plagiatsjäger von VroniPlag erklärte, die Ähnlichkeit der Passagen sei ihm beim Lesen aufgefallen. Eine politische Motivation der Plattform bestritt er. "Wir würden jeden auseinandernehmen, der hier so etwas tut."
Der Promotionsausschuss der Universität Heidelberg trat am Mittwoch erstmals unter Vorsitz des Dekans der Philosophischen Fakultät, Manfred Berg, zusammen, um die Vorwürfe zu prüfen. Im Zuge ihrer Untersuchungen werde dann auch Koch-Mehrin gehört, sagte die Pressesprecherin der Universität. Wann die Universität sich dazu äußert, ob gravierende Verstöße gegen die gute wissenschaftliche Praxis vorliegen, steht derzeit nicht fest. Es handele sich sicher nicht um Monate, so die Sprecherin.
Leser*innenkommentare
Alibaba Wunderbar
Gast
@Bernd Hinschberger: "Wen interessiert das eigentlich wirklich? Die Arbeiten verstauben so oder so in den Regalen."
Wozu haben sich die Damen und Herrschaften dann überhaupt die Mühe gemacht, eine wissenschaftliche Arbeit zu verfassen?
Oder ging es da überhaupt nicht um Forschung bzw. darum nachzuweisen, dass man etwas von der betreffenden Materie versteht, sondern nur darum, sich mit einem akademischen Grad zu schmücken, weil man damit bei manchen Bürgern in diesem Land immer noch Eindruck schinden kann.
Ah, die Frau hat einen Dr.-Titel, die ist gescheit, die muss etwas davon verstehen.
Wenn man manchen Trägern dieses akademischen Grades im Fernsehen zuhört, stellt sich allerdings die Frage, wie die überhaupt das Abitur geschafft haben.
Hartmut
Gast
@Bernd Hinschberger
Dass man nicht alle Plagiate aufdecken kann, sollte nicht zu dem Schluss führen, dass man erst gar nicht mit dem Aufdecken anfangen sollte. Dass Personen des öffentlichen Lebens dabei besonders "gefährdet" sind, ist doch normal - und das wissen diese Personen ja auch selbst. Wenn jemand beim zu-schnell-Fahren erwischt wird, kann er sich auch nicht darauf berufen, dass andere nicht erwischt würden.
atypixx
Gast
Inzwischen wurden schon auf über 40 Seiten (von etwa 200 ...) Plagiate entdeckt. Tendenz freilich stetig steigend. Nicht schlecht, Frau Dr. Specht!
Guido Hartmann
Gast
Nicht wenige bürgerliche Medien haben in der Guttenberg-Sache darauf hingewiesen, dass es sich bei solchem Verhalten eben nicht um großbürgerlichen Habitus handelt, sondern um das feudale Gehabe eines Adeligen, der sich um bürgerliche Werte nicht schert.
Die Enthüllungen auf VroniPlag zeigen, dass dem nicht so ist, und dass unsere bürgerlichen "Eliten" sehr empfänglich sind für den Feudalismus-Virus á la Guttenberg.
Bernd Hinschberger
Gast
Jetzt bleibt nur eine Alternative:
Überprüfung sämtlicher Doktorantenarbeiten der letzten 15-20 Jahre. Es kann nicht sein, dass willkürlich (???) einzelne Personen geradezu "herausgepickt" und bloßgestellt werden. Offensichtlich kommen auch die Universitäten/Doktorväter ihren Prüf- und Sorgfaltspflichten nicht recht nach. Davon abgesehen: Wen interessiert das eigentlich wirklich? Die Arbeiten verstauben so oder so in den Regalen.