Ausländischer Sondermüll zur Entsorgung: Brandgefährliche Schlamperei

Bei falsch deklarierten Giftfässern in Brunsbüttel nahmen es mehrere Beteiligte mit den Regeln nicht genau. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft.

War mit Sondermüll aus der Ukraine überfordert: die Sonderabfallverbrennungsanlage in Brunsbüttel. Bild: dpa

HAMBURG taz | Die Probleme mit falsch deklariertem Giftmüll in Brunsbüttel sind auf Schlampereien unterschiedlicher Akteure zurückzuführen. Die Ukraine als Lieferland hat die Inhaltsstoffe falsch angegeben und die Transporte nicht richtig angemeldet. Die Entsorgungsfirma Remondis hat nicht rechtzeitig mitgeteilt, dass mehr Giftmüll ankam, als sie verarbeiten konnte. Und die Behörden hätten früher eingreifen können, wenn sie sich besser informiert hätten.

Wie berichtet hat die von Remondis betriebene Sonderabfallverbrennungsanlage (Sava) in Brunsbüttel Ende 2010 und Anfang 2011 knapp 1.250 Tonnen Sondermüll aus der Ukraine angenommen. Weitere knapp 150 Tonnen landeten in einem Lager der Firma in Lübeck.

Weil die Menge größer und anders beschaffen war als vereinbart, stapelten sich die Müllfässer auf dem Gelände der Sava und in Lübeck. Remondis kam nicht mit dem Verbrennen hinterher. Stattdessen entzündeten sich im Januar und März drei Fässer selbst. Die Feuerwehr maß keine besonderen Gifte im Rauch.

Erst durch die Brände wurde bekannt, was Marlies Fritzen, die umweltpolitische Sprecherin der Grünen im schleswig-holsteinischen Landtag, einen "absolut unverantwortlichen Umgang mit hoch toxischem Müll" nennt. Remondis habe die Behörden zu spät darüber informiert, dass die Sava zu viel Sonderabfall angenommen habe.

Darüber hinaus lagerte die Firma das Material auf nicht dafür zugelassenen Flächen. Wegen beider Sachverhalte ermittle die Staatsanwaltschaft, sagte Christian Seyfert, der Sprecher des Kieler Umweltministeriums.

Das Basler Abkommen von 1989 erlaubt es, ausländischen Sondermüll in Deutschland zu entsorgen.

Der Vorteil dieses Übereinkommens ist, dass auch weniger wohlhabende Länder ausgefuchste Entsorgungsanlagen nutzen können. Nebenbei verbessert das die Auslastung der hiesigen Anlagen und deren Erträge.

Strittig sind Lieferungen aus Ländern, denen eine umweltgerechte Entsorgung selbst zugetraut wird. Im Sommer 2010 protestierte der Umweltverband BUND nicht nur dagegen, dass australischer Giftmüll in Brunsbüttel verbrannt werden könnte, sondern auch dagegen, dass er durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Dänemark gebracht werde.

Seyfert räumt ein, dass er froh sei, dass die Sava den Müll nicht abgewiesen habe. "In der Rückschau ist es gut, dass sie es nicht getan haben", sagt er. Brennende Fässer seien auf einem Werksgelände leichter zu handhaben als auf der Autobahn - noch dazu auf winterlichen Straßen.

Remondis-Sprecher Michael Schneider spricht von "einem ärgerlichen und kostspieligen Vorgang". Das Lagern und Überwachen der unsicheren Fässer ist teuer. Wärmebildkameras, Sprinkleranlagen und eine Sichtung im 15-Minuten-Rhythmus sollen verhindern, dass etwas anbrennt. "Wir behalten uns Schadensersatzforderungen vor", sagt Schneider.

Aus Sicht des Sprechers war mit den jetzigen Schwierigkeiten nicht zu rechnen. Als das Projekt angelaufen sei, habe ein Remondis-Techniker das Füllen und Verschicken der Fässer in der Ukraine begleitet. Weil das gut zu klappen schien, reiste er zurück. Die Lieferung sei danach "routinemäßig abgewickelt" worden, berichtet Schneider - bis plötzlich Problemstoffe in einzelnen Fässern aufgetaucht seien.

Dazu gehört auf jeden Fall Natriumperoxid - der Stoff, der die Fässer brennen ließ. "Abfälle von Chemikalien aus der Landwirtschaft, die gefährliche Stoffe enthalten, einschließlich Pestizide" - als solche waren die Abfälle aus der Ukraine von der Gesellschaft für die Organisation der Entsorgung von Sonderabfällen (Geos) im Auftrag des Landes zugelassen worden. Dabei wurde auch vermerkt, dass es sich nicht um selbstentzündliche Stoffe handele, Natriumperoxid also nicht hätte darunter sein dürfen.

Welche Stoffe in der Ukraine sonst noch in die Fässer gefüllt wurden, ist unklar. Nach Angaben des Umweltministeriums wird es sich wohl auch kaum mehr feststellen lassen. "Die Mittel, die da verpackt und versandt wurden, sind so alt, dass nur noch die Ausgangsstoffe übrig sind", sagt Seyfert.

Das Problem seien die Mengenverhältnisse dieser Ausgangsstoffe. Die Sava braucht eine gewisse Zeit, bis sie etwa eine bestimmte Menge Quecksilber verarbeitet hat. Ist zu viel davon im Müll, verzögert das die Entsorgung.

Als Konsequenz aus der schiefgegangenen Entsorgung fordert die grüne Abgeordnete Fritzen eine Änderung bei der Geos. In deren Gremien dürften keine Vertreter der Versorgungswirtschaft mehr sitzen, damit nicht der geringste Verdacht aufkomme, hier könnten Interessen vermischt werden.

Außerdem müsse die Kommunikation zwischen der Geos und dem Landesamt für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (LLUR) verbessert werden. Das Geos hatte Unregelmäßigkeiten festgestellt, aber das LLUR nicht informiert.

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