HAMBURGER SZENE VON REBECCA CLARE SANGER
: Ladenhüter

Unser Eckgemüseladen hält sich mit Mühe. Die Schalen der Äpfel glänzen vom Alter milde, die Möhren haben Sorgenfalten, einzig die von Haus aus straffen Melonen trotzen dem Verfall.

Ich sollte kaufen, was ich kaufen kann (und mag). Und außerdem sehen die Tomaten besser aus als bei Rewe, finde ich. Ich kaufe Salami, und Petersilie brauch ich auch noch, fast vergessen.

Zehn Minuten und 96 Treppenstufen später sehe ich das mühselig unkenntlich gemachte Haltbarkeitsdatum auf der Salamipackung. Ich erkenne Reste einer „1“, für Januar, das Jahr hat die Zensur überlebt: „13“. Die Frage der Ladeninhaberin – „oder lieber Geflügelfleischwurst?“ – bekommt eine ganz andere Bedeutung. Und ich erinnere mich an ihren Mann, der stets nur mit schlechter Laune Waren umtauscht.

96 Treppenstufen und ein gemurmeltes „Entschuldige, hab ich nicht gesehen“ später gibt mir die Ladeninhaberin einen Pack Fleischwurst. Ich sehe errötende Wangen. Habe schon den Laden verlassen, kehre nach einer Minute um, will weitere Worte wechseln, aber sie sei nicht mehr da, sagt ihr Ehemann.

Sie leide an Depressionen, heißt es bei uns im Haus. Ob ich weiter da einkaufen würde, fragt man mich. „Den ganzen Laden leer“, sage ich, weil ich weiß, dass ich’s müsste. Und im Kühlschrank liegt eine Fleischwurst, die ich gar nicht mag.