Facebooks China-Strategie: Freundschaftsanfragen vom Zensor
Facebook, das größte Online-Netzwerk der Welt, will weiter wachsen. Dafür hat sich das Unternehmen China ausgesucht - inklusive einiger Risiken.
Facebook will unbedingt nach China. Derzeit wird das weltgrößte soziale Netzwerk von den chinesischen Zensoren allerdings gesperrt - nur zu den Olympischen Spielen in Peking gab es eine Lockerung. Der Konzern erwägt nun eine neue Strategie, wie US-Medien berichten: Ein chinesisches Partnerunternehmen soll her und gleichzeitig könnte eine neue Seite namens "Facebook.cn" aufgebaut werden.
Der Partner scheint mittlerweile gefunden: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird es Baidu sein, Ende des Jahres 2010 mit über 56 Prozent Anteil Marktführer im chinesischen Suchmaschinengeschäft. Das E-Commerce-Unternehmen Alibaba, das zuvor ebenfalls als möglicher Partner Facebooks genannt wurde, soll aus dem Rennen sein. Ein Vertragsabschluss mit Baidu könnte bald folgen. Facebook äußert sich dazu zurückhaltend: "Wir informieren uns derzeit über den chinesischen Markt. Das ist Teil einer Untersuchung neuer Ansätze, die unseren Nutzern, Entwicklern und Werbetreibenden helfen sollen."
Firmenchef Mark Zuckerberg, dessen Freundin einen chinesischen Migrationshintergrund hat, hatte zuvor gesagt, man könne das Unternehmensziel, die Menschen auf der ganzen Welt miteinander zu verbinden, nicht erreichen, wenn man "1,6 Milliarden Menschen einfach weglässt". Das widerspreche dem Facebook-Gedanken.
Doch die Pläne des Unternehmens für den chinesischen Makt könnten noch für einige Kontroversen sorgen. So berichtete das Wall Street Journal am Wochenende, es werde sich keineswegs um ein hermetisch abgetrenntes Angebot handeln, mit dem Facebook in China starte. Der "Social Graph", also der riesige Datenberg an Beziehungsinformationen mit Freunden und Freunden von Freunden, soll stattdessen von den Facebook-Seiten anderer Länder auch nach "Facebook.cn" wandern können, wenn Nutzer untereinander Freundschaften schließen.
Mit Zensoren und Spionen vernetzt?
Was zunächst gut klingt, weil möglicherweise mehr Offenheit in China entstehen könnte, birgt nach Angaben des Wall Street Journals einige Risiken. Sobald ein nicht aus China stammender Nutzer mit einem Mitglied von "Facebook.cn" Verbindung aufnimmt, soll ein Warnfenster erscheinen, das darauf hinweist, dass die über diese Verbindung ausgetauschten Daten von der chinesischen Regierung mitgelesen werden dürfen: "Jegliches Material, das chinesische Nutzer sehen können, kann auch die Regierung sehen."
Die direkte Zensur, die für "Facebook.cn" unabdingbar wäre, soll offenbar von Baidu geleistet werden. Die Firma hat damit Erfahrung und dürfte auch für die Beziehungspflege zu den Behörden verantwortlich sein. Facebook wiederum übernähme Teile der Kosten für die in China zu installierenden Server. Die Umsätze sollen zwischen Baidu und Facebook geteilt werden, schrieb das Wall Street Journal ohne Details zu nennen.
Facebook will offenbar nur ein kleines Team nach China schicken, dies wird unter anderem mit Sicherheitsfragen begründet. Daten nichtchinesischer Nutzer sollen in China nicht gespeichert werden, geplant ist zudem offenbar der Einsatz von Filtern zur Vorzensur.
Sollte Facebook tatsächlich mit "Facebook.cn" auf den Markt kommen, wäre dies der exakt entgegengesetzte Ansatz zu dem des größten Konkurrenten im Internet: Google. Google brach Experimente mit einer eigenen "Google.cn"-Seite nach Jahren ab und leitete seine Suche auf die nichtzensierte Version in Hongkong um. Als Gründe gab Google offiziell Hackerangriffe und Datendiebstahl an. Seither Google aus China so gut wie verschwunden, Nutzer wanderten unter anderem zu Baidu ab.
Wie Facebook die Zensur in China mit der Offenheit in Einklang bringen will, die Mark Zuckerberg so gerne kultiviert, bleibt abzuwarten. Der Konzern zensiert teilweise schon heute, etwa in islamischen Ländern wie Pakistan.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Experten kritisieren Christian Lindner
„Dieser Vorschlag ist ein ungedeckter Scheck“
Regierungskrise der Ampel
Schmeißt Lindner hin oder Scholz ihn raus?
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Soziologe über Stadt-Land-Gegensatz
„Die ländlichen Räume sind nicht abgehängt“