FUNKTIONSMISSBRAUCH: Bierdeckel + Bierdeckel

Der Landesverband Deutscher Hotels und Gaststätten (Dehoga) wirbt in einem Schreiben für die Wählergemeinschaft B+B, für die ihr Vorsitzender kandidiert.

ch-Politik muss der Dehoga natürlich gut finden.

Der Landesverband Deutscher Hotels und Gaststätten (Dehoga) wirbt für die Wählergemeinschaft B+B. Laut Satzung wäre der Dehoga zu Neutralität verpflichtet, parteipolitisch und auch konfessionell.

In Bremen aber ist der Inhaber des Ratskellers, Fritz Rößler, Dehoga-Vorsitzender und zugleich Kandidat der Wählergemeinschaft B+B. Dadurch fühlt er sich ermächtigt, die Ressourcen des Branchenverbandes für Wahlwerbung zu nutzen. Seinen Angaben zufolge ist für die Werbeaktion kein Geld der Mitglieder verwendet worden. Bierdeckel und Porto habe B+B bezahlt.

Auch das Briefpapier? Immerhin trägt das Schreiben den offiziellen Dehoga-Briefkopf. Und vergangene Woche wurde es an Kneipen und Gaststätten verschickt. Beigelegt war ein Bierdeckel, den der Verband interessierten Gastronomen "gern zusendet", natürlich in größerer Stückzahl und "selbstverständlich kostenlos". Auf dem Filz das B+B-Logo, darunter der Slogan "Unabhängig. Frei. Bremisch." Die Unabhängigkeit des Branchenverbandes lässt diese Parteiwerbung allerdings bezweifeln: "Der Dehoga sieht in der Kandidatur seines Vorsitzenden die große Chance, den Belangen der Branche durch zusätzliches Wirken in der Bürgerschaft mehr Nachdruck zu verleihen" heißts im Brief. Und unterschrieben hat Dehoga-Geschäftsführer Thomas Schlüter.

"Das ist ein Missbrauch der Funktion des Vorsitzenden", sagt Grünen-Sprecher Matthias Makosch. "Das gab es in Bremen so noch nicht." Von Missbrauch spricht auch Björn Tschöpe, Vorsitzender der Bürgerschafts-SPD. Wie der Dehoga damit umgehe, sei aber Sache des Verbandes. Genutzt haben dürfte es ihm kaum: Als "unfein" oder "schlechten Stil" qualifizieren Fraktionen und Gruppen quer durchs Parlament die Aktion.

Ähnlich die Einschätzung von Dieter Nickel, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten in der Region Bremen-Weser-Elbe. "Es ist doch nicht Aufgabe eines solchen Verbandes, Werbung für eine Partei zu machen." Zwar, Bierfilze mit Botschaft bietet auch seine Gewerkschaft zur Zeit den Gaststätten an. Dies sei jedoch etwas anderes: "Kein Bier mit Nazis" steht darauf, ebenfalls in Bezug auf die kommende Bürgerschaftswahl. "Wir beziehen Stellung", so Nickel, "aber nicht für eine Partei."

Immerhin selbst der Dehoga-Bundesverband hat bereits Kenntnis vom Bierdeckel-Thema. Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes erfuhr aus der Presse von der Bremer Eskapade. Die Landesverbände seien allerdings rechtlich selbstständig. "Für uns als Bundesverband gilt der Grundsatz: wir machen Branchenpolitik und keine Parteipolitik", betonte sie. Kommentieren wollte sie den Vorgang indes nicht.

Die Stellungnahme für die Bierdeckel-Wählergemeinschaft widerspreche dem Neutralitäts-Grundsatz des Verbandes zwar "in der reinen Lehre", räumte Dehoga-Geschäftsführer Schlüter ein. Die Satzung, die ihn formuliert, stamme aber aus den 1950er Jahren. Heute höre die Politik dem Branchenverband nicht mehr zu. Es gäbe keine nennenswerte Opposition, die FDP werde nicht mehr in die Bürgerschaft kommen. Da habe der Dehoga seine Mitgliederinteressen zu vertreten und dafür zu sorgen, dass ihre Argumente eingebracht würden, so Schlüter. "Selbstverständlich hätten wir das nicht für einen unbekannten Politiker gemacht, der unserem Verband nicht nahe steht. Nur weil jetzt die Personalunion gegeben ist. Das ist der einzige Grund dafür." Beschwert hätten sich bislang nur zwei Wirte.

Auch der Dehoga-Vorsitzende und B+B-Kandidat Fritz Rößler weist Vorwürfe zurück. In seiner Doppelfunktion sieht er keinen Interessenskonflikt. "Im Gegenteil, wir haben in der Dehoga besprochen, durch B+B das Gastgewerbe vorzubringen." Man habe die gleichen Interessen. Im Wahlprogramm fehlt allerdings ein Hinweis auf die gastronomische Lobbyfunktion von B+B.

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